Eisige Naehe
lachte unfroh auf und schüttelte den Kopf. »Die würden mich überall finden, die sind wie Bluthunde. Sie müssten doch wissen, wie Journalisten ticken. Ich möchte nur meine Ruhe haben.« »Was ist mit Ihren Eltern oder Ihrer Schwester?« »Wo denken Sie hin? Jeder von denen da draußen weiß, wo meine Familie wohnt. Bei denen stehen ja auch schon die Paparazzi vor der Tür. Ich hasse dieses Pack.« »Gibt es keine Freundin, bei der Sie mal für eine Weile unterschlüpfen könnten?«
»Seit ich mit Peter zusammen bin, habe ich keine Freundin mehr«, sagte sie bitter. »Er hat mich praktisch gezwungen, alle meine früheren Kontakte aufzugeben, als Liebesbeweis sozusagen. Ich weiß, ich war eine dumme Kuh, aber ich kann das Rad der Zeit nicht zurückdrehen. Na ja, was soll's, irgendwann geht der Rummel schon vorbei. Die kriegen auf keinen Fall Bilder einer trauernden Witwe, denn das bin ich nicht. Aber nehmen Sie doch Platz. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?« »Machen Sie sich keine Umstände ...« »Das sind doch keine Umstände. Warten Sie, ich lasse uns Limonade bringen, hergestellt aus Cranberrys, die Peter zweimal im Jahr aus den USA hat einfliegen lassen. Unsere Haushälterin musste dann eine ganz besondere Limonade daraus herstellen. Dabei hat Peter das nie getrunken, er war ja auch nur selten hier.«
Victoria Bruhns ging hinaus, Henning und Santos hörten Stimmen, wenig später kehrte sie zurück. »Die Limonade wird uns gleich gebracht«, sagte sie und nahm wie tags zuvor auf dem Sessel Platz. Sie wirkte sehr gefasst, auch wenn dies, wie die Beamten ahnten, nur Fassade war.
»Warum trauern Sie nicht?«, fragte Santos direkt. »Keine Ahnung, ich kann es einfach nicht. Vielleicht, weil ich schon seit fast zwei Jahren allein in diesem Haus lebe, Peter war ja nur hin und wieder zu Besuch hier. Gestern, nachdem Sie gegangen sind, habe ich eine ganze Weile Rotz und Wasser geheult, aber am Abend war es vorbei. Auch das war keine echte Trauer, es war etwas anderes. Sie haben mich mit einer Nachricht konfrontiert, auf die ich nicht vorbereitet war, das ist wohl die einzig plausible Erklärung.«
»Wahrscheinlich. Wir müssen Ihnen leider noch ein paar Fragen stellen, es dauert auch nicht lange. Wo ist denn Ihr Töchterchen?«
»Mittagsschlaf. Sie hat die Nacht fast durchgeschlafen und schläft jetzt auch. Ich wünschte, ich könnte das. Aber bitte, fragen Sie.«
Die Tür ging auf, und eine in Schwarz gekleidete Frau um die fünfzig trat ein. Sie stellte ein Tablett mit einer Karaffe und drei Gläsern auf den Tisch und schenkte wortlos ein, ohne die Beamten eines Blickes zu würdigen. »Danke«, sagte Victoria Bruhns, worauf die Frau immer noch schweigend den Raum verließ. »Ist Ihnen noch jemand eingefallen, der Ihrem Mann den Tod hätte wünschen können?«
»Nein, da muss ich passen. Ich habe mir die ganze Nacht den Kopf zermartert, wer hinter diesem Mord stecken könnte, aber außer den sieben Namen, die ich Ihnen gestern schon aufgeschrieben habe, fällt mir keiner ein, dem ich so etwas auch zutrauen würde.« »Die Personen, die Sie uns genannt haben, werden überprüft. Können Sie sich an ungewöhnliche Vorkommnisse in den letzten Tagen und Wochen erinnern? Hat Ihr Mann sich am Freitag, als Ihre Tochter Geburtstag hatte, anders als sonst verhalten? Gab es Post oder Anrufe, die ...« »Sie haben mir diese Fragen doch gestern schon gestellt, oder? Wie gesagt, es gab nichts Ungewöhnliches, zumindest habe ich es nicht bemerkt. Mein Mann war wie immer, ich muss aber zugeben, dass ich nicht sonderlich auf ihn geachtet habe. Außerdem war er nur eine gute Stunde bei uns, dann war er schon wieder verschwunden ...« »Ins Studio, wenn ich mich recht entsinne?« »Ja, aber fragen Sie doch seinen Toningenieur, ob er wirklich dort gewesen ist. Ich schreibe Ihnen seinen Namen und die Studioadresse auf.« »Haben Sie schon mit ihm gesprochen?« »Nein, ich habe mich auch gewundert, dass er sich noch nicht bei mir gemeldet hat, aber ich kenne ihn auch nur vom Sehen aus der Anfangszeit, als mein Mann mich noch des Öfteren mit ins Studio genommen hat. Herr Weidrich ist ein stiller und verschlossener Typ. Ich hatte im Übrigen den Eindruck, dass er trinkt. Aber das ist nur meine Einschätzung.«
Sie überreichte Santos den Zettel, die ihn einsteckte und sagte: »Sie erwähnten gestern, dass Sie sich von Ihrem Mann trennen wollten und ein Druckmittel gegen ihn in der Hand hatten, wollten uns aber nicht
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