Eisige Umarmung (German Edition)
„Normalerweise fangen die Leute an zu beten, sobald sie mich sehen.“
„Sie glauben, er fürchtet den Rat?“ Diesen Albtraum, der einen nachts verfolgte, der schwärzeste Schatten. Regungslos wie eine Spinne im Netz wartete er auf seine Opfer.
„Genau – ein anderes Rudel kommt nicht infrage.“ Indigo rieb die bloßen Hände aneinander. „Dann hätte er schon längst gesungen wie ein Kanarienvogel.“
„Haben Sie ihm die Augen verbunden?“ Falls er ihn doch am Leben lassen würde – wofür ihm allerdings im Moment kein Grund einfiel –, durfte Judd seine Familie dadurch nicht in Gefahr bringen. Allerdings waren die Chancen sehr gering, dass die Hyäne diesen Raum lebend verlassen würde, denn Judd dachte nicht besonders logisch, wenn es um Brenna ging.
Indigo nickte. „Als ich Ihren Wagen hörte, habe ich ihm sofort ein Tuch umgebunden.“
„Ich werde ihn schon zum Reden bringen.“
Mit einem weiteren Nicken öffnete Indigo die Tür. Die Hyäne saß in der Mitte des Raumes auf einem Stuhl. Angstschweiß glänzte auf der Stirn des Mannes. Judd sah Indigo an. „Ihre Vermutung stimmt.“ Niemand mit einer solchen Angst hätte ohne triftigen Grund so lange durchgehalten, wenn diese vier Rudelmitglieder im Raum waren: Indigo, D’Arn, Elias und die Messerwerferin Sing-Liu.
Der Mann war dünn und hatte eine fahle Hautfarbe. Seine Haare und der beeindruckende Spitzbart waren schwarz. Letzterer war wohl ein verzweifelter Versuch, das schwächliche Kinn zu verbergen, bei dessen Anblick sich Judd fragte, warum die Hyäne sich noch nicht vor lauter Schreck eingenässt hatte. Über den Augen lag ein brauner Stoffstreifen, aber Judd brauchte den Blick des Gefangenen nicht zu sehen, um zu wissen, dass er voller Panik war.
Er stellte sich hinter die Hyäne und legte einen Finger auf eine Schläfe des Mannes. „Welchen Teil Ihres Gehirns mögen Sie am wenigsten?“ Judd brauchte für seine Arbeit keine Berührung, aber ein wenig Theaterspielerei half manchmal. Genau wie der sanfte geistige Druck, der sich wie ein Band um den Kopf des Gefangenen anfühlen musste.
Die Hyäne schnappte nach Luft, sagte aber kein Wort.
„Dann suche ich mir aus, was ich zuerst zerstöre“, sagte Judd mit der metallischen Stimme der Medialen. Trotz allem, was er Brenna zuvor erzählt hatte, empfand er nichts bei dieser Handlung. Das war nur etwas, was getan werden musste. Jäger und Aasfresser respektierten nur brutale Stärke. In dieser Hinsicht unterschieden sich die Gestaltwandler nicht sehr von den Medialen.
Die Reaktion des Gefangenen war sehr überraschend. Tränen schossen unter der Augenbinde hervor. „Ihr wart nicht da!“, schrie er. „Verdammt noch mal, ihr wart ja nicht da!“
Judd hielt inne, telepathisch hatte er etwas sehr Eigenartiges wahrgenommen. Er zog sich in eine der dunklen Ecken zurück und machte auf der geistigen Ebene weiter, während ein anderer Teil von ihm das Geschehen beobachtete.
Indigo sah ihn an. Als er nickte, nahm sie dem Gefangenen die Augenbinde ab. „Nicht umsehen“, befahl sie als Erstes. „Wo waren wir nicht, Kevin?“, drang sie in ihn, als der Mann weiter schwieg. „Entweder du redest, oder ich lasse ihn das machen, was er gut kann. Ich glaube, du weißt, wie das Resultat aussieht.“
Nur zu, dachte Judd, jag ihm Angst ein mit dem medialen Schwarzen Mann. Aber eigentlich fesselte ihn mehr, was er in der Hyäne entdeckt hatte.
Indigo knurrte tief in der Kehle. „Rede endlich. Das ist meine letzte Warnung.“
„Unser Anführer Parrish hat gesagt“, Kevin überschlug sich fast vor Eifer, „wenn wir tun, was die Medialen verlangen, werden sie uns verschonen.“
„Und wenn nicht?“ Indigo verschränkte die Arme über der Brust und sah den Mann von oben herab an. Judd erkannte es als dominante Geste. „Na los, Kevin, ich habe dich was gefragt.“
Man hörte, wie die Hyäne schluckte. „Dann hätten sie uns alle ausgelöscht. Als Warnung haben sie acht Junge getötet.“
Indigo fluchte, aber ihre Arme blieben, wo sie waren. „Zum Teufel, warum seid ihr nicht zu uns gekommen?“
Denn obwohl die SnowDancer-Wölfe jeden Eindringling ohne Zögern töteten, halfen sie schwächeren Rudeln, wenn ein stärkeres diese regelwidrig bedrohte. Eine der wichtigsten Regeln lautete: Minderjährige werden nicht angegriffen.
„Haben wir doch gemacht!“ Kevins Aufschrei wurde zu einem Wimmern. „Aber ihr wolltet nicht helfen.“
„Wer hat das gesagt?“ Indigo sprach jetzt mit
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