Eisige Umarmung (German Edition)
„Habt ihr nicht das Getuschel im Medialnet gehört? Sie reden offen über Rebellion.“
„Da hat sie recht“, sagte Tatiana, es war wie immer unklar, zu wem sie hielt.
„Ich schlage vor, wir lassen sie bis zu einem bestimmten Grad einfach weiterreden.“ Kaleb richtete sich jetzt an alle Ratsmitglieder. „In der Vergangenheit sind die Schwierigkeiten gerade dadurch entstanden, dass man versucht hat, den Unmut zu unterdrücken. Momentan ist es ein Leichtes, die Aufrührer im Auge zu behalten und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, bevor sie wirklichen Schaden anrichten können.“
„Kann sein, darum geht es jetzt aber nicht“, stellte Nikita fest. „Ich beantrage, dass die Scotts die Ergebnisse ihrer Recherche dem Rat übergeben. Wenn sie als Ratsmitglieder gehandelt haben, gehören die Daten sowieso dem Rat. Wenn sie auf eigene Faust gehandelt haben, waren sie nicht befugt zu handeln, und dann sollten die Informationen beschlagnahmt werden.“
Nikitas reizende Hinterlist beeindruckte Kaleb, aber er äußerte sich nicht dazu. Shoshanna war auch so schon auf dem besten Weg, seine Feindin zu werden. Doch hauptsächlich hielt er sich zurück, um zu erfahren, wer sich für die Scotts verwenden würde, also möglicherweise ihr Verbündeter war.
„Ich würde gerne einen Blick auf die Daten werfen“, sagte Ming LeBon schließlich. Den Ratsherrn und Meister im geistigen Zweikampf bekamen nur seine besten Soldaten zu Gesicht. Kaleb hatte vergeblich versucht, ein Bild von ihm aufzutreiben – Ming war tatsächlich nur ein Schatten.
„Das könnte allerdings sehr nützlich sein“, meinte Tatiana.
„Legt jetzt die Karten auf den Tisch, damit wir eine Entscheidung fällen können.“ Marshall war der älteste Ratsherr und ihr inoffizieller Vorsitzender – da er am längsten auf seinem Posten überlebt hatte.
Bei den Dreien war also unklar, zu wem sie hielten. Nikita und Shoshanna waren Gegner, Henry war auf Shoshannas Seite.
„Unglücklicherweise ist das nicht möglich.“ Shoshanna war die Ruhe selbst. „Man müsste dazu noch einmal durch alle markierten Akten gehen.“
„Aber ihr habt doch sicher eine Zusammenfassung.“ Marshall sprach aus, was alle dachten.
„Natürlich, doch vor etwa zehn Stunden hat sich jemand Zugang dazu verschafft. Die Daten sind unwiderruflich zerstört.“
„Haltet ihr uns für rehabilitierte Idioten?“, fragte Nikita rasiermesserscharf. „Kein Hacker im Medialnet kann bei einem Ratsmitglied eindringen.“
„Es war ein Virus.“ Shoshanna gab sich nicht geschlagen. „Hier habt ihr den Beweis.“ Etwas wurde in die leere „Dunkelkammer“ des Verlieses geworfen, eine Akte, in der ein Virus wütete.
Nur Nikita bewegte sich nicht vom Fleck. „Keine Gefahr“, verkündete sie kurz darauf. „Es wird sich nicht ausbreiten. Selbst wenn das der Fall wäre, würde sich das Virus normalerweise schnell selbst zerstören. Die Dunkelkammer bietet keine geeigneten Bedingungen für Viren.“
„Dafür sollten wir dankbar sein. Sonst wäre jetzt schon das gesamte Medialnet betroffen“, sagte Shoshanna und wies damit kühl auf die Fähigkeiten hin, die Nikita den Gerüchten zufolge hatte.
Sie untersuchten Shoshannas Beweise sorgfältig. Es gab nichts daran zu deuteln. Im Normalzustand hätten die Daten gut lesbar sein sollen, aber die Akte war nur noch ein großes Durcheinander, energetische Blitze im Inneren hatten den Inhalt unbrauchbar gemacht, und noch beim Umblättern der Seiten setzte sich das Zerstörungswerk fort.
„Es verschlingt sich selbst“, murmelte Marshall. „Ein degenerierender Kreislauf.“
„Zweifellos von einem außergewöhnlich guten Programmierer.“ Tatiana sah es sich von Nahem an. „Wir müssen dieses Individuum unbedingt dazu bringen, für uns zu arbeiten. Ich würde den Täter gerne ausfindig machen.“
„Nur zu.“ Shoshanna „schob“ Tatiana die Akte zu. „Wahrscheinlich wirst du keinen Erfolg haben. Der Hacker hat keine brauchbaren Spuren hinterlassen.“
„Das Virus trägt seine Handschrift“, stellte Nikita fest. „Wenn er nicht schlau genug war, auch das verschwinden zu lassen. Die Störversuche des Gespenstes folgen demselben Muster.“ Diesen Namen hatten sie dem Saboteur gegeben, der sich zu einem gefährlichen Stachel im Fleisch des Rates entwickelt hatte.
„Das ist eine Möglichkeit“, sagte Kaleb, „aber es gibt auch noch eine andere: Vielleicht hat die Familie Liu beschlossen, selbst einzugreifen.“
„Wer es auch
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