Eisige Umarmung (German Edition)
allein lassen?“
Nach einem langen Moment des Zögerns gingen sie hinaus. Judd zog Brenna in ihr Zimmer und schloss die Tür. Sie lehnte sich dagegen, und er stützte sich mit den Händen rechts und links neben ihrem Kopf ab. „Alles in Ordnung.“ Das war eine Feststellung, denn trotz der Verletzungen stand sie sicher auf den Beinen.
„Mit dir jedenfalls nicht.“ Sie zog ein Taschentuch hervor und tupfte seine Wange ab, erst dann fiel ihm auf, dass er wieder aus dem Ohr blutete. Sorge umschattete ihre Augen, die Zacken waren jetzt so blau wie Indigos Augen. „Du darfst nicht mehr lange warten.“
Er nahm ihr das Tuch aus der Hand, wischte das restliche Blut ab und steckte den Stoff in die Hosentasche. „Du hast meine Hilfe gar nicht gebraucht.“
Sie lächelte, zeigte ihre Zähne. „Ich wusste, du würdest kommen. Darum habe ich so verbissen gekämpft, denn du wärst da gewesen, wenn meine Kräfte versagt hätten.“ Ihr Lächeln verschwand. „Beruhige dich. Es geht mir gut.“
Sie in diesem Augenblick zu verlassen war das Schwerste, was er je im Leben hatte tun müssen. Bei jedem Herzschlag spürte er das vollkommen irrationale Bedürfnis, Dieter zu Brei zu schlagen. Dabei wollte er einfach nur Gerechtigkeit. In diesem Zustand konnte er keinesfalls gegen Silentium angehen. Er war viel zu durcheinander.
Er trat aus der Höhle in den schneebedeckten Wald, um etwas von dieser Energie durch die eingeübten Bewegungen des Kampfsports loszuwerden. Bevor er anfangen konnte, musste er sich schon wieder das Blut von der Nase wischen. Es war fast schwarz – der Countdown hatte begonnen.
Als Tai eine Stunde später am Waldrand auftauchte, wäre die Aggression beinahe ungewollt aus Judd herausgebrochen. Sein Kontrollvermögen war immer noch anfällig, die tödliche Wut raste wie ein eingesperrtes Tier in ihm. „Was machst du hier?“
„Bin auf dem Weg zurück zur Höhle. War seit dem Morgengrauen auf der Jagd.“ Tai fuhr sich mit einer Hand glättend durchs Haar. „Könntest du mir vielleicht ein paar von den Sachen beibringen, die du gerade gemacht hast?“
„Dazu braucht man Disziplin“, antwortete Judd, dem aufging, dass Tai nichts von dem Aufruhr ahnen konnte, der vor Kurzem in der Höhle stattgefunden hatte. Aus irgendeinem Grund besänftigte das seinen Zorn. „Man darf sich nicht von Instinkten leiten lassen, muss überlegen, bevor man reagiert.“
Tai schob die Hände in die Hosentaschen und zog die Schultern hoch. „Du denkst, ich kann das nicht?“
„Ich glaube, es entspricht nicht deinem Wesen, aber das muss ja nicht schlecht sein. Ich werde dir beibringen, dich zu konzentrieren und deine Fähigkeiten zielgerichtet einzusetzen.“
Tai lächelte knabenhaft und ein wenig großspurig. „Tja, ich bin ganz gut, oder? Hab bei dir ein paar Treffer gelandet, obwohl du doch Offizier bist.“
„Richtig.“
Das Lächeln verschwand, und Tai nahm die Hände wieder aus der Tasche. „Vielen Dank, dass du mich nicht verpetzt hast. Wegen der Krallen, meine ich.“
Judd erinnerte sich an Laras Worte und hörte ihm ruhig zu.
„Ich war frustriert und habe die Beherrschung verloren“, gab Tai zu. „Es tut mir leid.“
„Schon gut.“ Judd nahm mit einem Kopfnicken die Entschuldigung zur Kenntnis. „Also, dann komm her, wenn du was lernen willst.“
Tai stellte sich neben ihn. „Was soll ich tun?“
„Denken. Stell dich so hin.“ Er machte es ihm vor. „Und überlege dir, wozu dein Körper in der Lage ist, was ihn an seine Grenzen bringt und was nicht. Wenn man ein Werkzeug wirkungsvoll einsetzen will, muss man wissen, was es alles kann.“
Tai atmete tief ein. „Mein Körper als Werkzeug? Gut, das habe ich verstanden. Ich werde denken.“
Eigenartigerweise gelang es Judd, seine dunkle Seite wieder unter Kontrolle zu bekommen, während er Tai Disziplin lehrte. Als Brenna bei Einbruch der Nacht zu ihnen stieß, konnte er wieder halbwegs klar denken.
„Entschuldige bitte“, sagte sie, nachdem Tai gegangen war, „aber ich musste dich sehen. Ganz schön dumm, nachdem ich mich so stark und unberührt von dem Angriff gegeben habe. Ich gehe jetzt lieber wieder – unser Zusammensein bereitet dir nur Schmerzen.“
„Du musst dich nicht dafür entschuldigen, dass du mit mir zusammen sein willst.“ Er hob seine Jacke auf und zog sie an. „Willst du ein wenig mit mir spazieren gehen?“
Sie nickte, ihre Unterlippe zitterte. Doch gleich darauf ging es ihr wieder ein wenig besser. „Ich
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