Eisige Umarmung (German Edition)
ich von meinen eigenen Erfahrungen ausgehe, scheint es eher so zu sein, als habe Enrique einen schlafenden Teil Ihres Gehirns geweckt.“
„Der vielleicht niemals hätte erwachen sollen.“
„Genau. Was man Ihnen angetan hat, ist nicht auf natürliche Weise geschehen. Aber es ist nun einmal passiert.“
„Und ich muss lernen, damit zu leben.“ Das Monster hatte ihr keine Wahl gelassen.
„Ich werde Ihnen dabei helfen, so gut ich kann. Und Sascha ebenfalls – sie versteht Sie.“ Faiths Stimme war sehr sanft. „Sie brauchen sich nicht vor ihr zu fürchten, sie verurteilt Sie nicht.“
Ungeweinte Tränen brannten in Brennas Kehle. „Warum sollte sie das nicht tun? Was ich in diesen Albträumen fühle … ist so verdreht und falsch. Und Sascha ist so gut, so freundlich.“
„Da sie ein sehr großes Einfühlungsvermögen hat, empfindet sie dasselbe wie Sie, spürt Ihren Schmerz und Ihre Angst. Außerdem hat sie zwar ein freundliches Wesen“, Faith lächelte, „aber sie ist keinesfalls vollkommen. Fragen Sie nur ihren Mann, falls Sie mir nicht glauben. Aber es ist allein Ihre Entscheidung. Wir werden alles versuchen, um Ihnen zu helfen, aber ich weiß nicht genau, wie viel wir wirklich tun können.“
„Zumindest weiß ich jetzt, dass ich nicht verrückt bin.“ Brenna versuchte, zuversichtlich zu klingen, aber in Wahrheit war sie nichts weniger als das. Im Augenblick stimmte es vielleicht, aber was wäre, wenn es den Albträumen doch gelänge, sie verrückt zu machen? Panik schoss heiß in ihr hoch, ihr Herz stockte … und ihre Augen suchten den kalten Trost eines tödlichen Medialen, der ihre Dämonen vertrieb. Die Röte schoss ihr wieder ins Gesicht, doch diesmal war nicht Angst der Auslöser. „Kann ich Sie noch etwas anderes fragen?“
„Natürlich, Brenna …“ Faith schien nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich bin doch Ihre Freundin. Ich möchte es jedenfalls sehr gerne sein.“
Vor diesem Treffen hätte Brenna geschworen, keine andere Frau sei ihr so fern wie Faith. Sie war so gelassen, so ausgeglichen, während sie selbst eine einzige Katastrophe war. Aber nun wurde Brenna klar, dass sie beide wussten, was es hieß, sich Dinge ansehen zu müssen, die man lieber nie gesehen hätte. „Das wäre wirklich schön.“
Faith lächelte und sah noch schöner aus. „Was möchtest du wissen?“
„Es geht um –“ Sie brach ab, denn sobald sie diese Frage stellte, konnte sie die Wahrheit nicht mehr verleugnen – sie war nicht nur zu Judd gegangen, weil er ein Medialer war, es waren keine praktischen Überlegungen gewesen, die sie zu ihm geführt hatten, sondern Gefühle, die sie als Frau für ihn empfand. „Dir sind auch die Gefühle abtrainiert worden?“
„Ja. Das ist bei allen Medialen der Fall.“
„Aber du hast mit Silentium gebrochen. Ich habe gehört, es sei passiert, kurz nachdem du Vaughn getroffen hast.“
Faith nickte bedächtig. „Ich glaube, ich weiß, worauf du hinauswillst.“ Sie sah Brenna nachdenklich an. „Judd?“
Brenna nickte, erleichtert, dass sie die komplizierten und verwirrenden Gefühle nicht aussprechen musste, die sie für einen Mann hegte, der absolut keine hatte. „Er ist schon viel länger als du vom Medialnet getrennt, aber er ist vollkommen ohne Gefühle, vollkommen in Silentium gefangen.“
8
„Im Unterschied zu Sascha und mir haben sich seine Fähigkeiten nicht gegen ihn gewandt. Wir beide mussten die Gefühle willkommen heißen, sonst wären wir untergegangen. Ich glaube nicht, dass es bei Judd so ist.“
Du brauchst nicht noch mehr Albträume.
„Nein.“ Die Dunkelheit in seinen Augen war eine schmerzliche Erinnerung. „Ich glaube, er war Soldat.“
Faith schien etwas sagen zu wollen, schüttelte dann aber den Kopf, als wolle sie den Gedanken verscheuchen. „Außerdem ist er ein Mann.“
Brenna war das auch schon aufgefallen. Noch nie hatte es sie so gereizt, einen Mann zärtlich zu berühren. „Meinst du, das ändert etwas an der Situation?“
„Wenn du mir diese Frage gestellt hättest, als ich mich noch im Medialnet befand, hätte ich sicher Nein gesagt und behauptet, wir wären allen gleich.“ Sie holte tief Luft. „Aber heute weiß ich, dass das eine Lüge war. Männer und Frauen sind von Grund auf verschieden. Ich glaube nicht, dass es nur zufällig Frauen waren, die als Erste wegen ihrer Gefühle das Medialnet verlassen haben.“
Brenna begriff sofort, worin der Unterschied bestand. „Judd ist abtrünnig geworden,
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