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Eisige Versuchung

Eisige Versuchung

Titel: Eisige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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sich am liebsten übergeben. Statt ihrer Übelkeit nachzugeben, floh sie hinter die Couch, bevor der Eisengel sie packen konnte.
    Von der Seite kam Roque angerannt, tackelte Forest wie ein Offensive Lineman beim American Football und rammte ihn gegen den Holzbalken, der das Panoramafenster aufgrund der Statik unterteilte. Aber Forest, massig wie ein Linebacker, erschütterte der Zusammenstoß kaum.
    Er keuchte lediglich, als ihm die Luft aus den Lungen gedrückt wurde, aber im nächsten Moment lachte er schon wieder, als fände er diesen Angriff amüsant. Sein Gegenschlag war weitaus subtiler, aber viel effektiver. Die Spitze seines Zeigefingers glühte blau, wie eine Flamme im Inneren, wo sie am heißesten ist, aber Shade wusste es besser. Dieses Blau gab die kälteste Kälte ab, die man sich vorstellen konnte.
    Als Forest seinen Frostfinger an Roques rechten Flügel hielt, jaulte dieser auf. Er krümmte seinen Rücken und ließ von seinem Gegner ab. Eine Hülle aus Eis bildete sich über der Schwinge. Innerhalb von Sekunden fraß der Frost sich hinein wie bei einem Teich, der immer tiefer gefror. Als er innerhalb von Sekunden den Grund erreichte und Knochen, Muskeln und Fleisch vor Kälte steif waren, schlug Forest mit der Handkante darauf.
    Roques Flügel zerbarst in tausend Stücke. Benommen vor Schmerz fiel er auf die Knie.
    Shade kreischte, aber die Windhose übertönte ihren Schrei weitestgehend. Das Mahlen des rotierenden Graupels und das begleitende Rauschen und Zischen wie bei einem Blizzard waren inzwischen ohrenbetäubend. Die Geräuschkulisse klang bedrohlich und machte sie wahnsinnig; sie bildete ein nervtötendes Crescendo, das das Ende untermalte. Nur – wessen Ende?
    Geifer rann aus Forests Mundwinkeln, während er auf sie zukam. Zuerst schritt er bedächtig voran, dann wurde er immer schneller, bis er schließlich hinter ihr herrannte und sie um das Sofa jagte.
    Kurz rüttelte Shade an der Haustür, aber sie rührte sich immer noch nicht. Sie lief weiter, außer Atem vor Panik, und rutschte auf den Tropfen aus, die Roques Stalaktiten-Geschosse hinterlassen hatten und die gefroren waren. »Nein!«
    Forest kam bei Shade an und streckte seine Hände gierig nach ihr aus.
    Wie ein Berserker schoss Roque heran. Das Messer, das eben noch im Balken gesteckt hatte, hielt er nun hoch. Mit übermenschlicher Kraft rammte er es zwischen Forests Flügel, genau in den Flaum, der eine erogene Zone darstellte.
    Der farbige Eisengel gab einen unmenschlichen Laut von sich, seine Schwingen bogen sich nach hinten, und er taumelte über Shade hinweg.
    Roque nutzte Forests Schwung und ebenso das Überraschungsmoment und packte seinen Widersacher. Schweißüberströmt vor Anstrengung schleuderte er ihn in Richtung Küche. Er ließ ihn nicht los, selbst als Forest sich wehrte.
    Gemeinsam mit ihm stürzte Roque sich in den Tornado.
    Der Rüssel des Twisters zog sich in die Superzelle an der Decke zurück. Die dunklen Wolken wurden immer heller, bis nicht viel mehr als Nebel zurückblieb, der sich schlussendlich ganz auflöste.
    Die Eisblumen an der Scheibe tauten und liefen in Schlieren herab. Die dünne Schneeschicht im Haus schmolz. Aus der Küche lief das Wasser heraus und ergoss sich in einem kleinen Sturzbach über die Stufe des Podests in den Wohnbereich hinab.
    Selbst am Himmel vor dem Fenster lichtete sich der Dunst. Sonnenstrahlen erhellten den Wald. Der widernatürliche Winter zog sich endgültig aus Bridgeport zurück, ahnte Shade.
    Fassungslos blieb sie auf dem Boden sitzen, obwohl sie in einer Pfütze hockte, und starrte dorthin, wo eben noch der Tornado gewesen war. Sie weinte lautlos. Der Schock saß tief. Sie war wie gelähmt.
    Draußen zwitscherten die Vögel, das Herbstlaub an den Bäumen raschelte sanft. Die plötzliche Ruhe brachte Shade fast um den Verstand, da sie das Gegenteil von dem war, was sie in diesem Moment empfand. Warum war es draußen so friedlich, wo doch in ihr ein Sturm tobte? Weshalb schien die Sonne, wenn es doch in ihr rabenschwarz aussah?
    Wie konnte die Erde sich weiterdrehen?
    Schluchzend lehnte sie sich mit dem Rücken gegen die Wand. Ihr Brustkorb war wie zugeschnürt, sie bekam kaum Luft. Vor ihren Augen flimmerte es, und sie glaubte, den Verstand zu verlieren, dabei war ihr nur schwindelig. Angestrengt lauschte sie, da sie glaubte, ein Flügelschlagen zu hören, aber das stellte sich als reines Wunschdenken heraus. Da war nichts und niemand. Bisher war sie immer gern allein

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