Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisige Versuchung

Eisige Versuchung

Titel: Eisige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
Vom Netzwerk:
hinein.
    Ihr Kopf war so klein, dass er in seine Hände gepasst hätte. So stellte sich Roque ein gealtertes Puppengesicht vor. Trotz Falten war es immer noch niedlich, mit Rehaugen und runden rosigen Wangen. »Lassen Sie uns rasch hineingehen!«
    Mr. Cusack, der einen grauen Blazer anhatte, obwohl es noch immer an die dreißig Grad sein mussten, deutete zur Einfahrt. »Ist das Tor defekt, Mr. Rodriguez?«
    »Das hat Mr. Porch extra geöffnet, um Sie willkommen zu heißen«, log er und beeilte sich, die Haustür aufzuschließen. Der Schlüssel war seit zwei Jahren in seinem Besitz. So lange versuchte er schon, dieses Gebäude loszuwerden. Das nagte an ihm, unterstrich es doch seine Erfolglosigkeit. Aber er hatte dem Eigentümer einige Tipps für Schönheitskorrekturen gegeben. Das ließ ihn hoffen. Man ging ja schließlich auch nicht im schmutzigen Arbeitsoverall zu einem Date.
    Roque ließ den Cusacks den Vortritt und folgte ihnen dann.
    »Wie nett von ihm!«, sagte die alte Dame. Doch im Flur blieb sie abrupt stehen. »Hier ist es ja heiß wie in einem Backofen!«
    »Mr. Porch war bestimmt erst vor Kurzem hier und hat die Klimaanlage eingeschaltet. Er wohnt ja nicht mehr hier, sondern lebt jetzt in Fresno, wo er mit seiner Frau ein kleines Gestüt leitet.« In Wahrheit gab die Air-Condition keinen Mucks mehr von sich. Sie war so tot wie der Hund, der im alten Swimmingpool begraben lag. Bob hatte seinen Müll einfach in die zementierte Grube geworfen und eben auch das Golden-Retriever-Baby, das tot geboren worden war – zumindest hatte er das Roque gegenüber behauptet. Dieser hatte ihn dazu überredet, die Müllhalde wenigstens mit Sand zuzuschütten. Davon gab es rund um das Grundstück genug.
    Roque schaltete so wenige Lichter wie möglich an, damit die Cusacks die Ausbesserungen nicht bemerkten. Absichtlich hatte er das alte Paar spätabends zu diesem Termin bestellt. Im Schein einer diffusen Lampe hielten die beiden hoffentlich die Filzstiftstriche der Porch-Kinder auf der Tür für die Holzmaserung. Roque hatte Bob eine Rolle Tapete, die er von seiner letzten Renovierung übrig hatte, geschenkt. Damit hatte der Eigner das Loch in der Wohnzimmerwand kaschiert. Vorsichtshalber stellte Roque sich jedoch davor.
    »Wer legt denn einen Teppich in die Küche?«, fragte Mrs. Alora Cusack, als sie weitergingen.
    »Um einige kaputte Bodenfliesen zu überdecken«, dachte Roque, antwortete jedoch stattdessen: »Das ist wohl in dieser ländlichen Gegend hier so üblich, habe ich mir sagen lassen. Aber Sie können ihn ja später woanders hinlegen.«
    Sie rümpfte ihre Stupsnase. »Oder wegwerfen.«
    Mr. Cusack lüftete seine Baseball-Kappe und kratzte sich an seiner Glatze. Seine wenigen verbliebenen Haare wuchsen in einem schlohweißen Kranz um die kahle Mitte. »Apropos ländlich: Liegt dieses Grundstück nicht etwas sehr weit ab vom Schuss? Wir werden ja nicht jünger.«
    »Aber Mr. Cusack, in den Formularen habe ich gelesen, dass Sie achtundsechzig Jahre alt sind. Darf ich ehrlich zu Ihnen sein? Ich hätte Sie auf nicht älter als sechzig geschätzt und glaube kaum, dass ich in Ihrem Alter noch so topfit sein werde. Ich beneide Sie, Mr. Cusack, ich beneide Sie wirklich, auch um Ihre hübsche Ehefrau!« Nonchalant hauchte er einen Kuss auf den Handrücken der alten Dame.
    Zufrieden nahm er wahr, dass beide breit grinsten und sich verliebt anschauten, als hätten sie die Entscheidung getroffen, den Vertrag zu unterschreiben.
    Aber noch war nichts in trockenen Tüchern. Deshalb setzte Roque nach und machte ihnen ein schlechtes Gewissen, um ihre Einwände zu entkräften: »Sie hatten mich doch gebeten, ein Anwesen, das ruhig gelegen ist, für Sie zu finden … ein kleines Häuschen außerhalb der Stadt, weil Sie schon immer davon geträumt hätten, auf dem Land zu leben.« Er seufzte, als hätte es ihn viel Arbeit gekostet, dieses Grundstück aufzutun. »Nun, Ihr Wunsch war mir Befehl. Ich spüre doch, dass Sie sich hier wohlfühlen.«
    »Das schon.« Nachdenklich runzelte Mr. Cusack die Stirn. »Aber ich habe keine Kleinstadt in der Nähe gesehen und auch kein Einkaufszentrum, nur eine Tankstelle.«
    »Sie haben die Möglichkeit, drei Ortschaften anzufahren, Gemeinden, in denen die Uhr langsamer tickt und wo Sie sich wohlfühlen werden, das garantiere ich Ihnen.« Dass diese eine Stunde entfernt lagen oder nur aus drei Häusern bestanden, verschwieg er hinter einem einnehmenden Lächeln. »Ich werde Ihnen bei der

Weitere Kostenlose Bücher