Eisige Versuchung
Fast hätte Roque über diesen Gedanken gelacht, aber seine Verärgerung wegen der Probleme, die die Cusacks ihm bereiten würden und die er zurzeit absolut nicht gebrauchen konnte, war größer.
»Ich habe mich nur angelehnt.« Entschuldigend riss Mr. Cusack seine Arme hoch und trat von dem Auto weg. »Danke für die freundliche Begrüßung. Wir wünschen Ihnen auch einen guten Morgen.«
Den hatten sie Roque bereits verdorben. Er schritt zu seinem Flair Bird und wischte mit dem Ärmel über die Stelle, an der Corkey das Auto berührt hatte. Erleichtert atmete er auf. Lack und Blech waren unversehrt. Eine Wertminderung des 1966er wäre katastrophal gewesen. Es würde ohnehin schwer werden, bei dem Handel am Abend kein Minus zu machen.
Er drehte sich um und wollte zur Tür seines Ladens gehen, doch Alora stellte sich ihm in den Weg. Ihm fiel sofort auf, dass sie auf jeglichen Schmuck verzichtet hatte. Oder besaß sie keinen mehr?
Auf solche Dinge achtete er bei Kunden sofort. Wenn sich jemand mit wertvollen Accessoires schmückte, schlug Roque umgehend ein paar Hundert Dollar auf den Kaufpreis für ein Haus oder Baugrundstück drauf, weshalb in seinen Mappen mit den Maklerobjekten nie Preise zu finden waren. Ging er großzügig mit den angeblichen Forderungen des Besitzers herunter, strich er immer noch mehr Gewinn als geplant ein. Der Trick funktionierte meistens! Nur kam er selten dazu, ihn anzuwenden.
»Er ist doch so schwach geworden«, flüsterte Alora, als würde ihr Mann ihre Worte dann nicht mitbekommen, was natürlich Unsinn war, da er direkt hinter Roque stand. »Nimmt kaum noch etwas zu sich, der alte Dummkopf. Dabei brauche ich ihn doch an meiner Seite. Wie sollte ich jemals ohne ihn leben können?«
Roque wurde schwer ums Herz, aber er wehrte sich gegen das aufkeimende Mitgefühl. Was scherten ihn die Cusacks? Im Gegensatz zu ihrem Mann, an dem das verwaschene grüne T-Shirt entweder schlabberte, weil er offensichtlich stark abgenommen hatte, oder weil sie in der Kleiderkammer keine kleinere Nummer erhalten hatten, war Alora mit ihrer grauen Bluse und ihrem schwarzen Rock adrett gekleidet wie eh und je. Nur die Falten in ihrem Puppengesicht waren tiefer geworfen.
»Corkey musste sogar seinen Job als Polierer im Pharaohs Country Club aufgeben. Das ist der an der Oso Bay, vielleicht kennen Sie ihn. Leute wie Sie verkehren doch dort«, fuhr sie fort. »Das sind alles nette Leute. Sie lassen mich im Restaurant das Frühstück servieren, obwohl dort sonst nur Mädchen, die meine Enkeltöchter sein könnten, angestellt sind.«
Roque zuckte mit den Achseln. Was hatte das mit ihm zu tun? Er hatte solch einen Club noch nie von innen gesehen und würde es vermutlich auch nie – wegen Kunden wie den Cusacks. Die brachten ihn eher ins Grab.
»Aber die Gäste haben sich beschwert. Nicht weil ich schlecht bediene, sondern weil ich betagt bin. Sie sagen, jemand in meinem Alter sollte seinen Lebensabend genießen und nicht mehr arbeiten. Der Club würde mich ausbeuten, dabei helfen die Betreiber uns, über die Runden zu kommen.« Die Lady holte ein besticktes Stofftaschentuch aus ihrer Lackhandtasche.
Roque wusste nicht, ob sie sich Regentropfen, die ersten an diesem Morgen, von den Wangen tupfte oder Tränen. Der Kloß in seinem Hals schwoll an, aber er wurde auch sauer, denn er merkte sehr wohl, dass Alora ihm all das erzählte, um ihn weich zu kochen. Die Mitleidstour wandte er oft genug selbst bei der Veräußerung heruntergekommener Gebäude an, wenn er behauptete, der Besitzer brauchte das Geld, um die Krankenhausrechnung seiner Tochter zu zahlen.
»Bis Ende November darf ich noch zu ihnen kommen, dann wollen sie mich nicht weiter beschäftigen, weil sie einen Image-Schaden befürchten.« Sie schniefte und steckte das Tuch in ihre Tasche zurück.
»Bis dahin habe ich einen neuen Job gefunden, Honey.« Als Corkey zu seiner Frau ging, schaffte er das Kunststück, seine Füße kaum vom Boden abzuheben und dennoch nicht zu schlurfen. Er umarmte sie, aber auf Roque machte es vielmehr den Eindruck, als müsste er sich an ihr festhalten, um nicht zusammenzuklappen.
Am liebsten hätte Roque die Bagels in den Mülleimer vor seinem Geschäft geworfen, denn ihm war übel. Aber jeder Cent zählte! Er würde die Brötchen eben später essen, wenn er das Treffen mit den Cusacks verdaut hatte. »Alles Gute für Sie beide.«
»Wir wollen unser Geld zurück, das, was Sie für uns in den Schenkkreis investiert haben,
Weitere Kostenlose Bücher