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Eisige Versuchung

Eisige Versuchung

Titel: Eisige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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ändern.«
    Ihr lag auf der Zunge, dass die Liebe stärker war als alle Macht der Welt. Aber kam diese auch gegen den Herrn der Unterwelt an, der die Macht besaß, Gedanken, Gefühle und jegliche Gegenwehr einzufrieren? Das bezweifelte selbst Shade.
    »Ich gehöre nicht zu den Guten.« Abweisend starrte er an die Zimmerdecke. Entweder hielt er ihrem Blick nicht stand oder dachte an sein Leben als Mensch zurück; Shade vermutete beides. »Der Eisige Lord holt nur zu sich, wer Böses getan hat, und zwar besonders hinterhältig, egoistisch und skrupellos.«
    »Aber so bist du nicht.« Sie streichelte seinen Brustkorb, doch er versteifte sich unter ihrer Berührung, daher nahm sie ihre Hand weg.
    Roque schnaubte. »Er hat mich in sein Reich gebracht und aus mir einen seiner Knechte gemacht. Das durfte er nur, weil ich etwas Schlimmes getan und mich versündigt hatte.«
    »Bist du …« Shades Mund war so trocken, dass ihre Zunge am Gaumen klebte. »Bist du ein Mörder?«
    Er zögerte. »Ja.«
    »Oh, mein Gott!« Entsetzt richtete sie ihren Oberkörper auf, doch er zog sie in seine Arme zurück, aber nur – so glaubte sie –, damit sie ihn nicht ansah.
    »Ich trage die Schuld am Tod eines Menschen, aber das war nur die Spitze meines Sündenbergs. Meine Seele war verletzt, das machte mich blind. Ich kämpfte für das falsche Ziel, wurde gierig und ging im übertragenen Sinn über Leichen. Ich habe mehr als eine Person ins Unglück gestürzt.« Als wäre er ansteckend, ließ Roque sie los und verschränkte seine Hände hinter dem Kopf. »Jahrelang war ich niederträchtig und fand es völlig okay, denn ich musste ja beweisen, was für ein toller Hecht ich war, dabei war ich Dreck.«
    Plötzlich fror Shade, aber da sie auf der Bettdecke lagen, kam sie an nichts heran, womit sie sich hätte zudecken können, und aufstehen wollte sie jetzt nicht, weil sie befürchtete, Roque würde dichtmachen. »Ich glaube nicht, dass du so bist, wie du behauptest. Immerhin hast du Arthur und mich am Leben gelassen, obwohl du jeden, der dich entdeckt, beseitigen müsstest.« Außerdem dürstete er nach Nähe. Niemand, der kaltblütig handelte, war gleichzeitig sensibel, liebevoll und zärtlich.
    »Ich war ein schlechter Mensch, Shade.«
    »Aber jetzt bist du ein guter Engel.«
    »Das möchtest du nur glauben, weil du Gefühle für mich entwickelst, aber schon bald werde ich dich verletzen. Ich bin auf der Jagd. Wie schon mehrmals zuvor werde ich töten, um jemanden in das eisige Höllenreich zu holen. Danach werde ich auf die Fährte eines neuen Opfers angesetzt.« Endlich schaute er Shade an, doch sein Blick war genauso hart wie seine Worte. »Und wir werden uns nie wiedersehen.«
    Roques letzte Worte brachen ihr fast das Herz.

Fünfzehntes Kapitel
    Misthaufen
    Ungläubig rieb Roque sich die Augen. Zuerst dachte er, er würde träumen, denn er war immer noch hundemüde, obwohl es schon halb elf war. Doch da standen sie vor seinem Geschäft und warteten ohne Zweifel auf ihn.
    Er seufzte genervt. Ihm war egal, dass das Ehepaar Cusack es mitbekam. Verdammt, er hatte an diesem Morgen noch nicht einmal einen Kaffee getrunken!
    Der Wind blies ihm kalt um die Ohren. Die grauen Wolken, die tief über der Anlage hingen, kündigten Regen an. Höher als fünfzehn Grad würde die Temperatur heute nicht ansteigen, hatte der Moderator im Radio auf der Fahrt hierher gesagt. Solch ungemütliche Herbsttage sah Texas nur selten. Roques Laune hatte sich dem Wetter angepasst.
    »Warum lassen sie mich nicht endlich in Ruhe?«, fragte er sich.
    Er hatte sich nur eben in der Bäckerei am anderen Ende der Geschäftszeile ein paar Bagels gekauft und kehrte nun zu seinem Laden zurück, um ihn aufzuschließen; eine halbe Stunde später, als auf dem Schild mit den Öffnungszeiten stand, das an der Glastür klebte, aber er hatte ohnehin seit Tagen keinen einzigen Interessenten mehr gesprochen.
    Als wäre das nicht schon schlimm genug, nahte nun auch noch ein Gewitter.
    »He, setzen Sie sich nicht auf die Motorhaube meines Wagens!« Nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, Corkey von seinem Thunderbird Coupé herunterzuziehen. Hoffentlich hatte er mit seinen Ellbogen, die so spitz geworden waren, dass sie als Waffen durchgingen, nicht schon Dellen in das cremefarbene Blech gemacht! Der alte Mann besaß ja keinen Cent mehr, um das Ausbeulen zu bezahlen. Und Roque auch nicht. War das der Grund, warum Corkey nicht einmal eine Jacke anhatte? Trug er sein letztes Hemd?

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