Eisige Versuchung
dich schon? Bereits im Kindergarten wollte niemand mit dir spielen, weil du nicht einmal in der Lage warst, einen Turm mit Klötzen zu bauen , hörte er die Stimme seines Dads und krallte seine Finger so stark in die Bagelstüte, dass sie an dieser Stelle riss.
»Ich kann Ihnen nicht helfen. Gehen Sie, bevor ich die Polizei rufe!« Seine Stimme war kalt wie Eis.
Er ließ das Ehepaar Cusack stehen, betrat seinen Laden und schloss die Tür hinter sich ab, damit sie ihm nicht folgen konnten. Aggressiv warf er die Bagels auf den Tisch.
Die beiden waren lästig wie Fliegen! Aber vielleicht kehrten sie auch nur immer wieder zu ihm zurück, weil er ein Misthaufen war.
Sechszehntes Kapitel
Der dritte Dalton
Als Shade erwachte, war Roque fort. Er musste sie so geschickt von seinen Flügeln gehoben oder behutsam heruntergerollt haben, dass sie nichts gemerkt hatte.
»Wie rücksichtsvoll!«, dachte sie und strich mit ihrer Nasenspitze dort über das Laken, wo er gelegen hatte. Es roch noch nach ihm.
Fürsorglich hatte er sie zugedeckt. Er konnte sagen, was er wollte, aber in ihren Augen war er nicht der gefühlskalte Egoist, den er selbst in sich sah. Vielleicht hatte er als Mensch tatsächlich Fehler begangen.
»Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein«, sinnierte Shade und bemühte sich, das Bild von Kid aus ihren Gedanken zu verdrängen.
Mochte Roque auch zu Lebzeiten nur auf seinen Vorteil aus gewesen sein, so hatte die Zeit in der Hölle – und mit ihr – ihn geläutert, und das schien ihr nur möglich gewesen zu sein, weil er tief in seinem Herzen eben doch kein schlechter Kerl war. Etwas musste ihn dazu getrieben haben, sich falsch zu verhalten. Das entschuldigte sein Fehlverhalten zwar nicht, aber es machte es nachvollziehbar.
Plötzlich fragte sie sich, ob Roque vielleicht vor ihr geflüchtet war. Sie setzte sich auf und lauschte in der Hoffnung, dass er sich im Badezimmer aufhielt, aber sie hörte nur Geräusche aus dem Untergeschoss und vermutete, dass die Besitzer der Pension den Frühstücksraum für ihre Gäste deckten.
Wollte er weiteren Diskussionen über seine Person aus dem Weg gehen und hatte sich deshalb davongestohlen? Im Grunde ging es nicht nur um ihn, sondern auch darum, ob sie ein Paar werden konnten. Sie beide kannten die Antwort. Doch während Shade sie verdrängte, suchte Roque offenbar Abstand zu ihr.
Immer wenn er nicht an ihrer Seite war, befürchtete sie, ihn nie wieder zu sehen. Diese Sehnsucht machte sie wahnsinnig! Shade war solch intensive Gefühle nicht gewohnt. Selbstverständlich hatte sie schon einige Beziehungen hinter sich, aber noch nie hatte sie sich Hals über Kopf in einen Mann verliebt und jemanden so sehr gebraucht, als wäre er ein Teil von ihr. Sie war jedoch auch noch nie so verzweifelt gewesen.
Es erschien ihr, so seltsam es selbst für sie klang, als wären sie füreinander bestimmt, als hätte das Universum ihre Schicksale miteinander verwoben, als es den Ablauf der Zeit festlegte.
Natürlich war das Unsinn. Für einen Engel aus der Hölle gab es keine Liebe, nur Eiseskälte, Schmerzen bei Ungehorsam und die Jagd im Namen seines Herrn.
»Aber so ist es nicht.« Shade schwang ihre Beine aus dem Bett, stand auf und ging ins Bad, um sich kühles Wasser ins Gesicht zu spritzen. »Nicht bei Roque!«
Er fühlte, er begehrte und er ließ seine Mission schleifen, damit er mit ihr zusammensein konnte. Oder redete sie sich die Wahrheit nur schön? Hatte er sie nachts allein gelassen und weiter nach der Person, die er ins frostige Schattenreich holen sollte, gesucht? War er doch nicht so gut, wie sie es sich wünschte? Vielleicht wollte sie nur glauben, dass er genauso viel für sie empfand wie sie für ihn. Womöglich erhitzte er sich nur an ihrem Körper, wie er sich an der Erde wärmte, mehr nicht.
»Nein!«, sprach sie laut zu ihrem Spiegelbild. »Das kann nicht sein.« Sonst würde er sie nicht so leidenschaftlich küssen, nicht so hingebungsvoll lieben und sie nicht nach dem Sex in seinen Armen halten. Doch ein Rest Zweifel blieb.
Als Shade nach dem Frühstück zu ihrem SUV ging, wartete Roque bereits auf dem Parkplatz der Pension auf sie. Seine Augen wurden größer, sein Lächeln breiter, und die Glut in seinem Blick zeigte ihr – egal, wie oft er beteuerte, dass es keine Hoffnung für sie gab –, dass er sie mehr mochte, als es für einen Eisengel angebracht war.
Und wo ein Wille war, da war auch ein Weg, sagte Shade sich. Leider sah sie zum
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