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Eisige Versuchung

Eisige Versuchung

Titel: Eisige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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betrachtete er den verschneiten Gehweg. Er klappte den Kragen seiner Jacke hoch, hielt ihn vorn zusammen und stakste durch den Schnee, dabei mussten seine Sneakers schon nach zwei Schritten durchnässt sein. Sein Wagen parkte im Halteverbot. Er riss das Bußticket hinter dem Scheibenwischer heraus, zerriss es und ließ die Schnipsel einfach fallen. Sicherlich würde der Sheriff das für ihn regeln.
    »Mir fällt spontan nur eine Sache ein, die plausibel klingt, und damit meine ich nicht Fisch.« Shade gluckste.
    »Fahr dem Anzugträger hinterher, bitte!«
    Sie runzelte die Stirn. »Warum?«
    »Hartcourt finden wir immer wieder. Trotz des Mordes hat er offensichtlich nicht vor, aus der Stadt zu fliehen. Aber wenn wir herausfinden wollen, wer der Geschäftsmann ist, haben wir nur diese eine Chance.«
    Nachdenklich tippte sie sich abwechselnd mit Zeige- und Mittelfinger ans Kinn. »Aber der Fremde hat wahrscheinlich gar nichts mit Arthur zu tun.«
    »Vielleicht kriegen wir den Sheriff durch eine andere Sache dran.« Roque stützte sich an der Rückenlehne ihres Sitzes ab, neigte sich etwas zu ihr herüber und sah ihr tief in die Augen. »Und wenn das zu nichts führt, haben wir am Ende eben einen Vormittag zusammen auf engem Raum, in deinem Leihwagen, verbracht.«
    Sein Blick ging ihr durch und durch. Sie war sich sicher, dass er über kurz oder lang doch nicht die Finger von ihr würde lassen können – egal, wie sehr er auch versuchte, sich zurückzuhalten. Die Temperatur im SUV stieg um einige Grad an. Sie stellte fest, dass sie Observationen doch etwas abgewinnen konnte, aber nur, wenn sie sie gemeinsam mit Roque verbrachte. Ihnen fiel schon etwas ein, um sich die Zeit zu vertreiben. »Klingt gar nicht so übel.«
    Shade fuhr dem Mann in einigem Abstand hinterher. Mit seinem seriösen Auftreten – welch ein Hohn, schoss es ihr in den Sinn –, dem Anzug, der dunkelblauen Krawatte und den grauen Schläfen war es gut möglich, dass er bei einer Versicherung oder einer Kreditanstalt arbeitete. Stand er mit Bill »Averell« Gold und Earl »Joe« Hartcourt im Bunde und war der dritte Dalton? Oder lediglich ein weiterer, unabhängiger Teil eines korrupten Netzes um den Sheriff?
    Nur der goldene Siegelring am kleinen Finger des Unbekannten erinnerte eher an einen Mafioso.
    Ab sofort nannte Shade den Fremden Marcel , damit die Beobachtung persönlicher wurde. Erneut lieh sie sich einen Namen aus dem Lucky-Luke-Universum, denn Marcel Dalton war der Onkel der kriminellen Brüder und ein Schweizer Bankier.
    Allerdings gab es eine Eigenschaft, die mit dem Mann, der vor ihnen sein Fahrzeug aus Bridgeport heraus und auf die Sweetwater Road lenkte, nicht übereinstimmte: Die Comic-Figur wird als hochanständig beschrieben.

Siebzehntes Kapitel
    Unsichtbar
    Glücklicherweise waren am Vormittag viele Autos unterwegs, sodass ihre Verfolgung nicht auffiel. Shade bemühte sich, nie unmittelbar hinter Marcel zu fahren, sondern stets einige Wagen zurückzubleiben. Doch je weiter sie aus Bridgeport hinausfuhren, desto leerer wurde die Straße.
    Mit der Ortschaft ließen sie auch den Winter hinter sich. Die Oktobersonne zerrte am weißen Kleid der Natur. Hier und dort schimmerten sogar schon braune Flächen zwischen den Bäumen hindurch. Das Flussbett des Walker Rivers quoll durch die Schneeschmelze fast über. Ein Mann mit einer Baseball-Kappe, der zusätzlich die Kapuze seiner Jacke über den Kopf gezogen hatte, saß sogar schon am Ufer, schwang seine Angel hoch über seinen Kopf und schleuderte den Haken auf das tosende Wasser hinaus. Hoffnungsvoll schaute er ihm hinter, als er davontrieb. Die Schnur zappelte hin und her, als hätte bereits ein Fisch angebissen, aber es war nur die Strömung, die am Köder riss.
    Shade schaltete die Heizung aus, öffnete ihre Jacke und fragte sich, wie lange das schöne Wetter anhalten würde, nun da Roque zurück in der Gegend war.
    Als sie am Bridgeport Reservoir vorbeifuhren, wurde ihr Herz schwer. Immer wieder nahm sie ihren Blick vom Verkehr, um das Plateau zu suchen, auf dem Arthurs Holzhaus stand, doch sie konnte es nicht entdecken. Irgendwo dort oben, inmitten der Tannen und Bäume, deren vor Kälte erstarrtes buntes Herbstlaub langsam wieder auftaute, lag er unter einem Ahorn begraben. Hoffentlich hatte er seinen Frieden gefunden. Sie hätte ihn so gern an Joans Seite beerdigt oder seinen Leichnam sogar mit in ihr Grab gelegt, aber durch den hohen Schnee hatten sie kein Zeichen entdeckt, wo

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