Eisige Versuchung
er seiner Ehefrau bestattet haben könnte.
Als Marcel das Tempo seines Wagens drosselte, den Blinker setzte und hinter der Schleuse des Staudamms links abbog, wurde Shade mulmig. »Wo will er hin? Hier ist doch nichts.«
»Er fährt in einen Forstweg. Dorthin können wir ihm nicht folgen, dann würde er uns auf jeden Fall entdecken.«
»Mist!« Shade schlug auf das Lenkrad. Während sie die Abfahrt passierte, spähte sie hinein, um herauszufinden, was er als Nächstes tat.
»Am Ende ist eine Lichtung. Dort parkt er«, hatte Roque längst mit seinen Adleraugen gesehen. »Fahr die nächste Möglichkeit links rein, wir fliegen zu ihm.«
»Das ist weniger unauffällig, da hast du recht«, spöttelte sie.
Sachte knuffte er sie knapp unterhalb ihrer Achsel in die Seite, sodass es kitzelte und sie deshalb aufschrie. »Du kennst meine Kamikaze-Flugvariante noch nicht.«
»Und ich bin nicht sicher, ob ich sie kennenlernen möchte.« Sie grinste zwar, aber es lag ein Körnchen Wahrheit in ihren Worten.
Aufgeregt stellte sie den Geländewagen auf einem Parkplatz an der Sweetwater Road ab, von dem drei verschiedene ausgeschilderte Wanderwege abführten. Er war jedoch verwaist. Die meisten Touristen, wusste Shade aus Erfahrung, wollten in Wahrheit nur harmlose Spaziergänge machen und nicht mühsam durch hohen Schnee stapfen.
Noch immer zweifelte sie, ob sie nicht ihre Zeit verschwendeten, indem sie Marcel beobachteten. Aber vielleicht besaß Roque ja nicht nur ein überdurchschnittlich gutes Sehorgan, sondern verfügte auch über den siebten Sinn.
Sie stiegen aus und gingen tiefer in den Wald hinein. Immer wieder schaute Shade sich um. Zum einen wollte sie nicht vom Ranger überrascht werden, zum anderen befürchtete sie, Marcel könnte zufällig auf sie zukommen, denn sie hatte keinen blassen Schimmer, was er am Fuße des Berges wollte. Bei ihrem Glück stand er am Ende noch plötzlich vor ihnen.
Rasch entwickelte Shade für diesen Fall einen Plan B. Sie würde sich wohl oder übel Roque an den Hals werfen und ein Liebespaar, das die Einsamkeit der Wälder suchte, um die Romantik zu genießen und zu turteln, spielen müssen. Lächelnd ließ sie ihren Blick über seinen breiten Rücken gleiten. Sie war die Einzige auf dem Planeten, die wusste, dass sich Flügel unter dem Stoff verbargen. Er vertraute darauf, dass sie es niemandem verriet. Es war ihr Geheimnis, schweißte sie zusammen, band sie aneinander.
Mit einem Mal hoffte sie sogar, Marcel zu begegnen. Sie schloss zu Roque auf.
»Keine Sorge, bei mir bist du sicher«, sagte er und straffte seine Schultern in einer liebevollen machohaften Art.
»Glaubst du, ich habe Angst vor Bären, die du mit den Wetterschwankungen aggressiv gemacht hast?« Sie hob ihre Augenbrauen an. » Du bist wohl das gefährlichste Wesen weit und breit.«
Zu ihrer Überraschung gab er ihr einen Klaps auf den Hintern. »Wenn das so ist, solltest du dankbar dafür sein, dass ich auf deiner Seite stehe.«
»Dankbar?«, echote sie und schnalzte. »Du hältst dich wohl für ein Geschenk Gottes.« Kaum hatte sie diesen lustig gemeinten Vorwurf leichtfertig ausgesprochen, bereute sie ihn auch schon und biss sich auf die Zunge.
Statt eingeschnappt zu sein, versperrte Roque ihr den Weg. Geradezu lasziv knöpfte er sein Hemd auf und schob es über seine Schultern hinab. »Ich bin ein Geschöpf des Eisigen Lords, ausgestattet mit Fähigkeiten, die du schon zu spüren bekommen hast.« Sein Frostfinger streifte ihren Pullover genau auf Höhe ihrer Brustspitze, worauf ihr Nippel erigierte. »Und der hier.« Seine weißen Schwingen breiteten sich majestätisch hinter seinem Rücken aus.
»Nett.« Shades Mundwinkel zuckten. Sie nahm ihm das Hemd ab, schlang es um seine Hüften und band die Ärmel über seiner Hosenschnalle zusammen.
Provozierend stemmte er seine Hände in die Hüften. »Nur nett?«
Sie tat, als müsste sie über seine Frage nachdenken, froh darüber, dass seine reservierte Haltung ihr gegenüber immer mehr bröckelte, je mehr Zeit sie zusammen verbrachten, und antwortete schließlich: » Sehr nett.«
Plötzlich drehte er sie so schnell herum, dass ihr schwindelig wurde. Er drückte seine Arme auf ihren Busen und ihre Taille, schlug mit seinen Flügeln und hob ab. Während er in die Waagerechte ging, schlang er seine Beine um die ihren und schoss mit ihr los.
Im letzten Moment unterdrückte Shade einen Aufschrei. Alles ging so schnell, dass sie nicht wusste, wie ihr geschah. Roque
Weitere Kostenlose Bücher