Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
Ich ermittle jetzt in einem hässlichen Fall von häuslicher Gewalt«, lautete Karlssons Antwort. »Das Gesicht der armen Frau musste mit dreiundsechzig Stichen genäht werden, nachdem wiederholt mit einer zerbrochenen Flasche auf sie eingeschlagen worden war. Hinzu kamen vier gebrochene Rippen und eine böse gequetschte Niere. Das ist nun schon das dritte Mal innerhalb von achtzehn Monaten, dass ihr derart schwere Verletzungen zugefügt wurden. Die beiden anderen Male hat sie ihre Anzeige wieder zurückgezogen und ist zu ihrem charmanten Gatten heimgekehrt. Ich versuche sie dazu zu bringen, diesmal bei der Anzeige zu bleiben.«
»Dann möchte ich Sie gar nicht länger aufhalten. Vielleicht kann ich noch ein paar Minuten hierbleiben und mich ein bisschen umsehen?«
»Um etwas zu finden, das uns entgangen ist?«
»Nachdem ich schon mal hier bin.«
»Fühlen Sie sich wie zu Hause. Wenn Sie fertig sind, sagen Sie am Eingang Bescheid, dass die mich anfunken sollen.«
Karlsson ging, und Frieda schloss hinter ihm die Tür. Ihren Mantel zog sie aus und legte ihn zusammen mit Schal und Umhängetasche auf einen Metallstuhl, ließ jedoch ihre Handschuhe an. Die erste Kategorie war die größte: verdorbenes Essen. Neben ein paar Hühnerknochen, an denen hier und da Fleischfetzen hingen, entdeckte sie mehrere Apfelgehäuse, Teile von Brötchen, an denen noch die Abdrücke von Zähnen zu erkennen waren, Alubehälter mit unterschiedlichen, unaussprechlich aussehenden fettigen Pampen, ein kleines Häufchen halb verfaulter, matschiger Tomaten, ein paar Stückchen Schokolade, jede Menge labberige, graue, mit Ketchup beschmierte Pommes, helle Brocken, die Frieda für Fisch hielt, und Piereste in unterschiedlichen Stadien der Verwesung. Rasch wandte sie sich der nächsten Kategorie zu. Dabei handelte es sich um Verpackungsmaterial: Chipstüten, Zigarettenschachteln, Umhüllungen von Süßigkeiten, alte Plastiktüten, Bierdosen, Coladosen, Ciderdosen, leere Wodka- und Weinflaschen, Styroporbecher. Als Nächstes folgten die Kleidungsstücke: ein Kinder-Flipflop, zwei Turnschuhe, bei denen sich die Sohlen ablösten, ein ehemals weißes Damen-T-Shirt, bei dem ein ganzer Ärmel fehlte, ein Wollschal mit braunen Flecken, die nach Hundescheiße rochen, ein vom Waschen schon ganz grauer BH , Größe 36B, und Herrensportsocken mit abgewetzten Fersen.
Frieda arbeitete sich weiter vor: Windeln und Kondome. Unmengen von Spritzen. Die tote, schwanzlose Katze. Ein unidentifizierbares, mausetotes Nagetier, bei dem das Gedärm heraushing. Zeitungen und Zeitschriften, die ältesten vom 23. Januar. Etliche Flyer, die für verschiedene Konzerte und Fast-Food-Restaurants warben. Teile von zerbrochenem Keramikgeschirr, unter anderem eine fast noch vollständige Schüssel mit einem altmodischen Muster, das Frieda an ihre Großmutter erinnerte. Batterien. Die rostende Hülle eines Mobiltelefons und drei Plastikfeuerzuge. Etliche Ein- und Zwei-Penny-Münzen, aber auch ein paar Euros.
Der restliche Platz war für all die Dinge reserviert, die sich nicht in Kategorien einteilen ließen: Neben einem kleinen, staubigen Häufchen Zigarettenkippen lagen benutzte Zündhölzer, Papier- und Pappefetzen, Haarklammern sowie Blechdeckel von Dosen.
Seufzend schlüpfte Frieda wieder in ihren Mantel, wickelte sich den Schal um den Hals und hängte sich ihre Tasche um. Trotzdem brach sie nicht gleich auf, sondern blieb mit gerunzelter Stirn mitten im Raum stehen und ließ den Blick erneut über die verschiedenen Kategorien gleiten. Dann ging sie noch einmal zu den Werbezetteln hinüber und blätterte sie durch. Einen zog sie heraus. Den Flyer zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmt, verließ sie den Raum und zog die Tür hinter sich zu.
»Ist das Ihre Ausbeute?«, fragte Karlsson. Er saß an einem Schreibtisch, auf dem sich die Akten stapelten. Hinter ihm im Regal entdeckte Frieda Fotos von seinen Kindern: einem flachsblonden Mädchen, das am Kinn das gleiche Grübchen hatte wie Karlsson selbst, und einem etwas älteren Jungen mit großen, ängstlichen Augen. Sie war den beiden mal begegnet, als sie ihn in seiner Wohnung in Highbury aufgesucht hatte, konnte sich aber nicht mehr an ihre Namen erinnern.
»Der ist nicht aus der Gegend«, erklärte Frieda, während sie Karlsson den eingerissenen, zerknitterten und ziemlich schmutzigen Zettel direkt unter die Nase hielt. »All die anderen stammen aus der Nähe, aber auf dem hier steht eine Adresse in
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