Eisiger Dienstag: Thriller - Ein neuer Fall für Frieda Klein 2 (German Edition)
diesem Fall sei es Unsinn, Sasha wieder auszuladen. Man müsse sie nur möglichst weit von Kieran fernhalten. So kam es, dass aus dem einfachen Abendessen ein aufwendiges Dinner wurde, bestehend aus viel zu lange gebratenen Lachsfilets im Teigmantel und einer Baiser-Nachspeise, die an den Zähnen kleben blieb. Reuben erschien in seiner Lieblingsweste, die wie ein mit Edelsteinen besetzter Brustharnisch wirkte, trank den ganzen Abend über Wasser (wenn er nicht gerade an den Gläsern anderer Leute nippte) und sonnte sich im Glanz seiner neuen Tugend. Er war tatsächlich in Begleitung von Josef gekommen, der als Gastgeschenk einen großen, schon etwas welken Blumenstrauß mitgebracht hatte. Frieda wäre jede Wette eingegangen, dass Josef ihn aus dem Haus geklaut hatte, in dem er gerade den Boiler reparierte. Er trug eine seltsame Jacke, die aussah wie aus einem Kartoffelsack geschneidert. Sasha war direkt von der Arbeit herbeigeeilt und entsprechend geschäftsmäßig gekleidet. Ihr schönes Gesicht war völlig ungeschminkt. Sicherheitshalber wurde sie in die hinterste, dunkelste Ecke des Raums verbannt. Olivia trug ein rotes Abendkleid und lange goldene Ohrgehänge. Ihre Augen waren mit Kajal umrandet, die Lippen knallrot geschminkt. Mit ihren hochhackigen Schuhen stolzierte sie herum wie ein Kranich, und ständig lachte sie an den falschen Stellen. Zu allem Überfluss verkündete Chloë, sie habe beschlossen, nun doch nicht auszugehen, dafür aber ihre Grufti-Freundin Sammy einzuladen, und es solle ja niemand wagen, sie wegen ihres halbseitig kahl geschorenen Schädels anzustarren.
Chloë hatte zu Frieda gesagt, Olivias neuer Freund Kieran sei ein Widerling. Jedes Mal, wenn sie ihn erwähnte, verdrehte sie die Augen. Wider Erwarten entpuppte er sich nun als ein schüchterner, leicht zerknautscht wirkender Mann, der seine Größe durch eine gebeugte Haltung zu kaschieren versuchte, bei jeder Gelegenheit errötete und die Aufmerksamkeit, mit der Olivia ihn bedachte, sichtlich verblüfft, aber erfreut zu genießen schien. Olivia schob ihm mit ihren langen, lackierten Fingernägeln Oliven in den Mund, wuschelte ihm durchs Haar und nannte ihn »Süßer«. Dabei sprach aus dem Blick, mit dem er sie ansah, eine solche Dankbarkeit, dass alle gerührt waren – mit Ausnahme von Chloë, die es widerlich fand. Frieda merkte Kieran an, dass er sich vor Chloë fürchtete. Der Mann tat ihr leid, denn ihre Nichte war in der Tat ein Biest: Sie hatte keinerlei Hemmungen und würde auch nicht davor zurückschrecken, ihn in aller Öffentlichkeit zu blamieren.
»Was machen Sie denn beruflich, Kieran?«, fragte Frieda ihn, woraufhin Chloë ein verächtliches Schnauben ausstieß.
»Rate mal«, sagte sie. »Das errätst du nie!«
»Ich würde es mir lieber von ihm erzählen lassen.«
»Nein, du musst raten. Zwanzig Versuche!«
»Ich arbeite für eine Bestattungsfirma«, erklärte Kieran.
»Siehst du?«, triumphierte Chloë.
»Das ist doch ein guter Job«, meinte Frieda, »noch dazu ein wichtiger.«
Kieran, der wohl nicht sicher war, ob sie das ernst meinte, lächelte schüchtern. »Ich arbeite im Büro«, fügte er hinzu, »in der Buchhaltung.«
»Er muss keine Särge tragen«, mischte Olivia sich ein, »und auch keine aufgesetzte Trauermiene.«
Der Abend zog sich hin. Olivia, die schon ziemlich beschwipst war, kickte ihre Schuhe in eine Ecke, löste ihr Haar und lehnte das erhitzte Gesicht an Kierans knochige Schulter. Reuben griff immer mal wieder geistesabwesend nach Sashas Weinglas, während er Chloë und Sasha eine lange Geschichte über Schneegänse erzählte. Sie klang nach einer Parabel, hatte aber keine Schlussmoral: Am Ende des Winters verschwanden die Schneegänse einfach. Josef brachte Sammy und Paz ein Trinklied bei, das von Holzgeist und anderen zweifelhaften Freuden des Landlebens handelte. Frieda stapelte Teller, schenkte nach und verteilte Kaffeetassen. Sie hörte Kieran über seine beiden bereits erwachsenen Söhne sprechen, von denen einer in der Armee war und der andere in Australien lebte, und Sammy über ihren älteren Bruder, der sich einer Gang angeschlossen hatte und mit einem im Schuh versteckten Messer herumlief. Frieda musste an Kathy Ripon denken, die zum zweiten Mal beerdigt worden war, wenn auch dieses Mal mit Liebe, und an Joanna, die der Welt ihre Geschichte erzählen wollte, nachdem sie all die unangenehmen Aspekte abgemildert und verharmlost hatte. Beim Anblick von Olivias verschmiertem,
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