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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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wechseln. Jeder wusste vom anderen, was er dachte, und normalerweise waren sie zu erschöpft, um mehr zu tun als ihren Rum zu schlucken, das rohe Pökelfleisch herunterzuschlingen und verzweifelt nach einer Quelle oder einem Tümpel zu suchen, wo sie ihre Pferde tränken und ihre Feldflaschen auffüllen konnten.
    Am Morgen wurden die Männer, die über Nacht erkrankt waren, auf Transportwagen geladen, während die Toten hastig flachen Massengräbern übergeben wurden. Der Geruch des Todes reiste mit der britischen Armee, wo auch immer sie sich hinwandte, und Sinclair hatte alle Hoffnung aufgegeben, ihn jemals wieder von seiner Haut abwaschen zu können.
    »Sinclair«, sagte Eleanor und wandte ihm im Schlitten das Gesicht zu. »Ich sehe etwas vor uns. Siehst du es auch?« Sie hob den Arm und deutete schwach in nordwestliche Richtung.
    Auch er erblickte eine Ansammlung dunkler Gebäude. Am Ufer lag ein gestrandetes Schiff, ein Dampfschiff, wie es schien. Aber war dieser Ort bewohnt? Und wenn ja, von wem? Freund oder Feind?
    Er zügelte die Hunde und näherte sich langsam der Ansiedlung. Doch je näher sie kamen, desto zuversichtlicher wurde er. Aus den Kaminen stieg kein Rauch auf, in den Fenstern schimmerte kein Licht, und nirgendwo war das Klappern von Töpfen
oder Pfannen zu hören. Die Hunde hingegen schienen den Ort gut zu kennen und trotteten mit unerschütterlicher Ruhe durch das Labyrinth aus vereisten Gassen und dunklen, verlassenen Gebäuden. In der Mitte eines großen und gänzlich trostlosen Platzes machten sie halt. Der neue Leithund, ein graues Tier mit einem breiten, narbenähnlichen weißen Streifen am Hals, drehte sich um und wartete auf weitere Befehle von Sinclair.
    Sinclair sprang vom Schlitten und sah ein gebogenes Stück Metall zwischen den Kufen. Als er kräftig darauftrat, spürte er, wie sich die Spitze ins Eis und die gefrorene Erde grub. Ein heftiger Schmerz schoss durch sein Bein und erinnerte ihn an die Bisswunde, die er davongetragen hatte. Der Hund hatte seinen Reitstiefel zerrissen, ein blutgetränktes Stück Leder hing lose herunter.
    Eleanor rührte sich in dem Schlitten und sagte mit einer Stimme, die ebenso freudlos war wie die Umgebung: »Wo sind wir hier?«
    Sinclair sah sich um und musterte die Speicher und die riesigen, aufgegebenen Maschinen. In einem offenen Schuppen entdeckte er gewaltige Fässer, groß genug, um eine ganze Herde Ochsen darin zu kochen, und ein Netz aus verrosteten Ketten und Karren. Hier und da sah er Eisenbahnschienen, die kreuz und quer über den Platz führten, und eiserne Schubkarren, die noch gewaltiger waren als jene, die er einst in den Kohleminen von Newcastle gesehen hatte. All das war zu einem bestimmten Zweck errichtet worden, und das war nicht ein Leben in Frieden. Das Ziel war gewesen, Geld zu verdienen, und die einzige Möglichkeit, in so einer abgelegenen und unwirtlichen Gegend Geld zu verdienen, bestand im Fischen, der Robbenjagd oder dem Walfang. Und zwar im großen Maßstab. Eine schwarze Lokomotive, mit Eis wie mit einer dünnen Schicht aus Marzipan bedeckt, stand am Ende einer rostigen Schiene. Bestimmt zwanzig, dreißig Gebäude standen verstreut auf dem vereisten Gelände. Die Fensterscheiben waren zerbrochen, Türen hingen schief in den Angeln, und auf
der Kuppe eines Hügels erspähte Sinclair einen Kirchturm mit einem schiefen Kreuz auf der Spitze.
    Eine Sekunde lang hielt er inne, dann regte sich ein Funke Trotz in ihm.
    Mit dem gesunden Bein trat er auf die Bremse, und nach ein paar Versuchen spürte er, wie der Haken sich aus dem Eis löste.
    »Vorwärts!«, schrie er den Hunden zu. Zunächst zögerten sie, doch als er noch einmal rief und die Führungsleine schüttelte, legten sie sich ins Geschirr und setzten sich in Bewegung.
    »Wohin fahren wir?«, fragte Eleanor.
    »Den Hügel hinauf.«
    »Warum?« Ihre Stimme klang unsicher.
    Er wusste, was sie dachte. »Weil es die höchste Stelle ist«, bot er ihr als Erklärung, »und dort der beste Aussichtspunkt ist.«
    Er wusste, dass sie argwöhnte, es gäbe einen anderen Grund.
    Die Hunde schlängelten sich an etwas vorbei, das wie eine verlassene Schmiede aussah. Es gab Essen, Ambosse und Lanzen, die fast so lang waren wie die, die er in der Schlacht getragen hatte. Sie passierten eine Messe mit langen, aufgebockten Tischen, auf denen immer noch ein paar gefrorene Kerzen neben dem Blechgeschirr standen. Die Kerzen, dachte er, würde er vielleicht später holen.
    Als die Hunde den

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