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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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unbarmherzigen Elementen glatt poliert worden waren und einen leicht matten Schimmer hatten. Jede Windung und jede Kerbe im Holz war so deutlich zu erkennen wie Weinflecken auf einem Leinentischtuch. Der Altar bestand aus einer einfachen, auf Holzböcken ruhenden Platte sowie einem grob gezimmerten Kreuz, das von den Dachsparren herunterhing. Eleanor, eingewickelt in den unförmigen Mantel, hielt sich zurück und senkte den Blick, doch Sinclair schritt kühn das Kirchenschiff entlang. Vor dem Altar blieb er stehen, breitete die Arme aus und erklärte: »Nun, hier bin ich!« Als stellte er sich einem Landadeligen vor, der ihn zu einer Jagdgesellschaft eingeladen hatte.
    Seine Worte hallten von den Wänden wider, begleitet vom Wind, der pfeifend durch die schmalen Fenster drang, in denen das Glas schon lange fehlte.
    Eine plötzliche Windböe blies die Spitze der Schneewehe das Kirchenschiff hinunter, und die weißen Flocken schmolzen auf Eleanors Schuhen. Schnell trat sie in eine Bankreihe.
    Die Arme immer noch ausgebreitet, drehte Sinclair sich um und sagte: »Siehst du? Kein Wort des Protestes.«
    Er wusste, dass Eleanor sich vor ihm fürchtete, wenn er in dieser düsteren und kampfeslustigen Stimmung war. Seit der Krim gärte diese dunkle Seite in ihm, und er konnte ihr ebenso wenig entrinnen oder sie beherrschen wie seinen Schatten.
    »Ich kann mir keine passendere Unterkunft vorstellen«, erklärte er. Er sah sich um und entdeckte hinter dem Altar eine Tür mit einem großen schwarzen Riegel. Wahrscheinlich die Sakristei. Seine schwarzen Stiefel knallten auf dem Steinfußboden, als er um den Altar herumging, der, wie er feststellte, mit uraltem Rattenkot bedeckt war. Dann stieß er die Tür auf. Dahinter verbarg sich ein winziger Raum mit nur einem rechteckigen Fenster und einem Paar Fensterläden. Er war ärmlich möbliert, mit einem
Tisch, einem Sessel und einer Pritsche, an deren Fußende eine zu einem Ball zusammengerollte Decke lag, sowie einem schmiedeeisernen Ofen. So trostlos die Unterkunft auch sein mochte, Sinclair fühlte sich, als sei er geradewegs in den Salon des Longchamps Club gestolpert, und er konnte es kaum erwarten, Eleanor seine Entdeckung zu zeigen.
    »Komm her!«, rief er. »Wir haben eine Suite für diese Nacht.«
    Eleanor näherte sich dem Altar nur ungern, aber noch weniger wollte sie Sinclair verärgern. Sie kam zur Tür und spähte hinein. Sinclair schlang einen Arm um ihre Schultern und hielt sie fest. »Ich werde unsere Sachen vom Schlitten holen, und dann machen wir das Beste daraus. Was hältst du davon?«
     
    Als sie allein war, trat Eleanor zum Fenster, öffnete die Läden und blickte hinaus. Ein kräftiger Wind trieb den Schnee über eine vereiste Ebene. Sie entdeckte weitere verstreute Grabsteine, von denen die meisten umgestürzt und zerbrochen waren. Fern am Horizont erhob sich ein Gebirgszug wie das schartige Rückgrat eines liegenden Tieres. Es gab nichts, was das Auge erfreute, nichts, was die Stimmung aufhellen oder auch nur einen Funken Hoffnung spenden konnte. Mit anderen Worten, es gab nichts, das sie davon überzeugen könnte, dass sie etwas anderes als das Panorama der Verdammnis vor sich hatte, bis in alle Ewigkeit beleuchtet von einer kalten, toten Sonne.
    Der Wind frischte auf, pfiff durch das Gebälk der Kirche und rüttelte an den Wänden.

28 . Kapitel 13 .Dezember, 21 : 30 Uhr
    »Halt die Kompresse«, befahl Charlotte. »Pass auf, dass sie nicht verrutscht.«
    Michael drückte die Gaze auf Danzigs Kehle, während sie den Faden abschnitt und die Schere in eine Schale legte. Noch immer sickerte Blut aus der Wunde.
    »Und behalt seinen Blutdruck im Auge!«
    Michael blickte auf den Monitor, der Blutdruck war niedrig und sank ständig weiter. Von dem Augenblick an, in dem sie in den Zwinger gerannt kam, waren Charlottes Hände unaufhörlich in Bewegung gewesen. Sie arbeitete schnell und sicher, hatte sich über den keuchenden Danzig gebeugt und das klaffende Loch in seiner Kehle mit ihren Fingern zugehalten. Auf der Krankenstation hatte sie ihn intubiert, narkotisiert und dann die Wunde genäht. Jetzt legte sie den Zugang für eine Infusion.
    »Wird er es schaffen?«, fragte Michael, unsicher, ob er die Antwort wirklich hören wollte.
    »Ich weiß es nicht. Er hat eine Menge Blut verloren, seine Halsvene war durchtrennt, und die Luftröhre hat ebenfalls etwas abbekommen.« Sie hängte den Plastikbeutel mit dem Plasma an den Haken und vergewisserte sich, dass die

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