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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Stück Ente auf der Gabel in die Höhe hielt: »Seitdem nie weit entfernt vom nächsten Kanonenfeuer gewesen ist!«
    »Öfter mitten drin als außen vor«, fügte Le Maitre hinzu.
    »Und bald schon wieder«, sagte Sinclair, und Eleanor spürte einen unerwarteten Stich. Die Lage im Osten verschlechterte sich zusehends. Unter dem Vorwand eines religiösen Konfliktes um die Altstadt von Jerusalem hatte Russland dem Osmanischen Reich den Krieg erklärt und der türkischen Flotte im Schwarzen Meer eine Niederlage beschert. Es wurde befürchtet, wie Rutherford den Damen erklärte, »dass der Russe, wenn wir ihn nicht an Land aufhalten, bald im Mittelmeer segeln könnte.« Solch eine Herausforderung der britischen Vormachtstellung auf den Weltmeeren, das verstand sich von selbst, musste im Keim erstickt werden.
    Eleanor begriff nur wenig von dem Gesagten. Ihr Wissen um ausländische Angelegenheiten und auch ihre geographischen Kenntnisse waren bescheiden. Ihre Ausbildung hatte aus ein paar Jahren Unterricht in einer Lehranstalt für Mädchen bestanden,
und dort hatte man mehr Wert auf Etikette und gutes Benehmen als auf die Förderung intellektueller Fähigkeiten gelegt. Aber ihr entgingen nicht der Eifer und die Begeisterung, die die Herren bei der Aussicht auf eine Schlacht zeigten, und sie bewunderte ihren Mut. Frenchie hatte ein silbernes Zigarettenetui gezückt, das mit dem Emblem der Leichten Brigade, zu der ihr Regiment gehörte, geschmückt war. Es war ein Totenkopf, und unter den gekreuzten Knochen standen die Worte »Oder Sieg«. Das Etui wurde von Hand zu Hand gereicht, doch als die Reihe an Eleanor kam, zuckte sie instinktiv zurück und gab es rasch an Sinclair weiter.
    Eine Käseplatte wurde aufgetragen, und zum Abschluss Süßigkeiten, zusammen mit der dritten – oder war es die vierte? – Flasche Champagner. Eleanor erinnerte sich nur, im Verlauf der Mahlzeit mehrere Korken knallen gehört zu haben. Als Sinclair ihr Glas erneut füllen wollte, hielt sie die Hand darüber.
    »Nein danke, ich fürchte, er ist mir bereits zu Kopf gestiegen.«
    »Möchten Sie vielleicht etwas frische Luft schnappen?«
    »Gerne«, sagte sie, »das wird mir wahrscheinlich guttun.«
    Als sie sich bei den anderen entschuldigten und vor die Tür in den Säulengang traten, stellten sie fest, dass es inzwischen zu regnen begonnen hatte. Der Gehweg war nass und glänzte im Schein der Gaslaternen. Als Eleanor aufblickte, sah sie ein paar Gentlemen mit Zylindern und schwarzen Umhängen aus einer Droschke springen und die Stufen zum ebenso vornehmen Clubhaus auf der anderen Straßenseite hinaufeilen.
    »Diese Häuser sind wunderschön«, sagte sie und legte den Kopf in den Nacken, um die Fassade von Longchamps zu betrachten. Sie sah die großen runden Säulen aus cremefarbenem Kalkstein und das kunstfertig gemeißelte Flachrelief eines griechischen Gottes, oder vielleicht auch Imperators, über den imposanten Doppeltüren.
    »Ich nehme an, Sie haben recht«, sagte Sinclair mit gespielter Lässigkeit. »Ich bin so daran gewöhnt, dass ich es kaum noch wahrnehme.«
    »Aber andere sehen es.«
    Er entzündete eine Zigarette und blickte hinaus in den Regen. Ein erschöpftes Brauereipferd zog mit klappernden Hufen einen Wagen voller Bierfässer, und die Räder rumpelten über das nasse Kopfsteinpflaster. Sinclair stieß eine Rauchwolke aus und sagte, als hätte er gerade eine Eingebung: »Möchten Sie gerne mehr davon sehen?«
    Eleanor war sich nicht sicher, was er meinte. »Ich habe keinen Regenschirm dabei, aber wenn Sie … «
    »Nein, ich meinte mehr vom Clubhaus.«
    Eleanor wusste, dass das nicht gestattet war.
    »In der Haupthalle gibt es wunderschöne Wandteppiche und Gobelins, und das Billardzimmer ist das beste auf der ganzen Pall Mall.«
    Er sah ihre Unsicherheit, beugte sich mit einem spitzbübischen Lächeln zu ihr und sagte: »O ja, ich verstehe Ihre natürliche Abneigung, und es ist tatsächlich verboten. Aber darum macht es doch gerade Spaß.«
    Wirklich? Bereits den ganzen Tag über fühlte Eleanor sich, als wäre sie durch einen Spiegel getreten und befände sich in einem Reich, das sie nicht völlig verstand. Dies hier war nur ein weiterer Beleg dafür.
    »Kommen Sie«, sagte Sinclair und ergriff ihre Hand, wie ein Kind, das ein anderes zum Spiel aufforderte. »Ich kenne einen Weg.«
    Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatten sie den Club wieder betreten. Zunächst schlugen sie den Weg zum Besucherzimmer ein, schlichen jedoch

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