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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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sah er noch etwas anderes auf dem Meeresgrund liegen. Es war ebenfalls pflaumenfarbig und mit einer Eisschicht bedeckt. Er nahm die Taschenlampe vom Gürtel und richtete den Strahl der Lampe darauf.
    Es war eine Flasche. Es musste eine sein. Eine Weinflasche.
    Michael schwamm hinüber und wischte mit seinem dreifingrigen Handschuh das Sediment vom Flaschenhals. Ein Seeigel, der sich an den Flaschenboden klammerte, öffnete und schloss in der Hoffnung auf etwas Essbares das Maul. Mit der Spitze der Taschenlampe schob Michael das Tier fort. Eis bedeckte die Flasche von oben bis unten, aber darunter konnte er einen Fetzen von dem erkennen, was einmal das Etikett gewesen, inzwischen jedoch völlig unleserlich war. Er versuchte, die Flasche vom Meeresgrund loszubekommen, aber das war gar nicht so einfach. Er würde beide Hände benutzen müssen. Sorgfältig balancierte er die Taschenlampe zwischen zwei fest im Boden steckenden Eisbrocken aus, wobei er unabsichtlich einen Schuppenwurm aufstöberte, der aussah wie ein knapp einen Meter langes, kaputtes Gummiband. Auf der Suche nach einem ruhigeren Quartier
schlängelte sich der Wurm davon, und Michael versuchte erneut, die Flasche anzuheben. Um den festen Griff von Schlamm und Eis zu lockern, musste er sie vorsichtig hin und her bewegen. Das Letzte, was er wollte, war dieses Artefakt zu zerbrechen, das wer weiß wie viele Jahre hier unten unbeschadet überstanden hatte. Schließlich bekam er es frei. Er fühlte sich, als hätte er ein schwieriges Tauziehen mit dem Meeresboden gewonnen, drehte die Beute in den Händen und bewunderte sie.
    Dann bemerkte er noch eine weitere Flasche, gut zehn Meter entfernt am Fuße des ins Wasser ragenden Gletschers.
    Vielleicht hatte er eine Schatztruhe entdeckt! Der Gedanke an Reichtum schoss ihm durch den Kopf, aber noch mehr elektrisierte ihn das Wissen, dass das ein ziemlicher Knüller wäre. Was würde Gillespie in Tacoma wohl dazu sagen? Ein Fotojournalist im Auftrag des
Eco Travel-Magazine
entdeckt mehrere hundert Meter unter dem antarktischen Eis eine versunkene Truhe. Von nun an würde Michael sich seine Aufträge aussuchen können.
    Er stopfte die Flasche in eine Netztasche, die an seinem Gürtel befestigt war, und schwamm dichter an das Eiskliff heran. Die Robbe schien sich davon fernzuhalten, ließ sich auf dem Rücken liegend treiben und sah Michael über ihren flachen Bauch hinweg zu.
    Je näher er dem Gletscher kam, desto kälter wurde das Wasser. Es erinnerte Michael an die unglaublich kalten Fallwinde, die an Land an den Seiten der Gletscher wehten und über die polaren Ebenen jagten. Er zitterte in seinem Trockenanzug und warf einen Blick auf die Tauchuhr an der Innenseite seines Handgelenks. Bald, sehr bald, würde er wieder umkehren und später noch einmal wiederkommen müssen.
    Die zweite Flasche war unter einem Felsen eingeklemmt, und er beschloss, sie zu lassen, wo sie war. Sein Regler zischte, und er stellte fest, dass er nicht mehr normal geatmet hatte. Die Erregung hatte ihn so gepackt, dass er nicht mehr darauf geachtet
hatte. Wie eine steile weiße Felsenklippe ragte die schräge Wand des gewaltigen Gletschers über ihm auf und verlor sich zu seinen Füßen in der Tiefe. Ganz ähnlich dem Felsen an jenem tragischen Tag in den Kaskaden. Die Wand wirkte wie gemeißelt und narbig, wie ein Boxer, der zu oft im Ring gestanden hatte. Michael strich mit der Hand darüber und spürte selbst durch die dicken Handschuhe die Rauheit und die uralte Kraft darin. Ein Berg aus Eis, der langsam, aber unaufhaltsam, alles, was auf seinem Weg lag, vernichtete.
    Und dann setzte sein Atem aus. Vollkommen.
    Unter seinen Fingern sah er … ein Gesicht.
    Er stieß sich vom Eis ab, entsetzt und verwirrt, und eine Wolke aus Luftblasen stieg in die Höhe.
    Er trat Wasser und blieb auf der Stelle. Die Robbe kam zurück, um zu spielen, doch Michael beachtete sie nicht.
    Das konnte nicht sein, aber er hatte sich nicht getäuscht. Er hielt nach Darryl Ausschau, aber alles, was er entdecken konnte, war ein orangeroter Fleck in weiter Ferne. Er schien sich um eine Falle zu kümmern, die durch das Sicherheitsloch nach oben gezogen wurde.
    Erneut wandte er sich mit klopfendem Herzen dem Gletscher zu. Er musste sich zusammenreißen, oder er würde noch eine Dummheit begehen und ertrinken, ehe er jemandem von seiner Entdeckung berichten konnte. Schließlich richtete er den Lichtstrahl noch einmal auf das marmorierte Eis.
    Von hier aus konnte er nur

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