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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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Tennille in die Tasten, bis Betty und Tina ihres allabendlichen Tischtennisspiels müde wurden und beschlossen, sich
Tatsächlich … Liebe
auf DVD im Großbildfernseher anzuschauen. Ein paar von den Angestellten spielten in einer Ecke Gin-Rommé und stöhnten, als der Film begann.
    Michael verschwand nach draußen zum Eiskernlager, um nach dem kleinen Ollie zu sehen. Das Licht am Himmel war matt, verdeckt von einer dicken Wolkendecke. Er schaufelte etwas Schnee aus der Kiste, und wie immer musste er genau hinsehen, um Ollie in der hintersten Ecke zu entdecken. Er wusste, dass Betty recht hatte. Wenn er den Vogel mit hineinnähme, würde er sich nie an sein natürliches Leben gewöhnen. Trotzdem fiel es ihm schwer, ihn hier draußen zu lassen. Es war bereits fünfzehn Grad unter null. Er nahm die Papierserviette aus der Tasche und schüttelte die Reste vom Huhn und einen großen Reisball aus, die er aus der Kantine herausgeschmuggelt hatte. Er schob das Essen in die Kiste oben auf die Holzwolle, sagte: »Bis morgen!« zu dem kleinen grauen Kopf, der ihn anstarrte, und ging auf sein Zimmer.
    Die Vorhänge der unteren Koje waren zugezogen, und Darryl schlief bereits. Michael machte sich fertig fürs Bett und nahm eine Schlaftablette. Er hatte schon unter normalen Umständen Probleme mit dem Schlafen, und die gegenwärtige Situation war alles andere als normal. Er wollte nicht zu einem dieser Typen werden, die wie Zombies durch die Station schwankten und das »Große Auge« hatten. Er schaltete das Licht aus, kletterte in
T-Shirt und Boxershorts in seine Koje und warf einen Blick auf die Leuchtziffern seiner Uhr. Es war Punkt zehn. Dann zog er die Vorhänge vor und versuchte sich genügend zu entspannen, damit die Schlaftablette ihren Job erledigen konnte.
    Doch das war nicht einfach. Hier in der Dunkelheit, wo die Vorhänge ihn wie ein Sarg umschlossen, konnte er nur an den Tauchgang denken … und an die Frau im Eis. Ihr Gesicht ließ ihn nicht los. Er drehte sich auf die Seite und schlug ein paar Mal auf das Kopfkissen, in der Hoffnung, eine bequemere Stellung zu finden. Unter sich hörte er Darryl leise schnarchen. Michael schloss die Augen und versuchte, sich auf seinen Atem zu konzentrieren und die angespannten Muskeln zu lockern. Er versuchte, an etwas anderes zu denken, an etwas Glücklicheres, und natürlich wanderten seine Gedanken zu Kristin … zu Kristin vor dem Unfall. Er erinnerte sich daran, wie sie einmal an einem Chili-Wettessen für Paare teilgenommen und den ersten Preis gewonnen hatten … oder wie ein Cop sie erwischt hatte, als sie es in einem geparkten Auto miteinander trieben, und ihnen mit einem Strafzettel drohte … oder wie sie sich dreimal in ebenso vielen Minuten im Kajak auf dem Willamette River gedreht hatten. Manchmal schien es, als hätten sie stets nur Herausforderungen gesucht oder zusammen in Schwierigkeiten gesteckt. Sie waren nicht nur ein Liebespaar, sondern auch Freunde gewesen. Darum hatte der Verlust so ein riesiges Loch in sein Herz gerissen.
    Im Rückblick war die Katastrophe durch viele kleine Ereignisse ausgelöst worden. Immer wieder dachte er, dass, wenn nur eine Kleinigkeit anders verlaufen wäre, das Ergebnis ein völlig anderes gewesen wäre. Wenn sie nicht davon ausgegangen wären, dass die Besteigung des Mount Washington ein Kinderspiel sei, hätten sie ihren Ausflug besser vorbereitet. Wenn sie einen festen Zeitplan gemacht hätten, anstatt viel zu spät am Startpunkt anzukommen, dann hätten sie nicht so überstürzt aufbrechen müssen. Wenn sie sich Zeit gelassen hätten, um die Karte aufmerksamer zu studieren,
hätten sie sich nicht so einen tückischen Teil der Klippenwand hinaufgequält, gerade als der Nebel aufzusteigen begann. Und wenn er sie nur zurückgehalten hätte, nur ein kleines bisschen, dann wäre nichts von alldem geschehen.
    Doch er hatte es gehasst, sie zu bevormunden, und Kristin hätte es ohnehin nie zugelassen, selbst wenn er es versucht hätte.
     
    Sie trugen leichte Kleidung für eine alpine Klettertour und hatten nur ein Minimum an Ausrüstung dabei, gerade genug, um eine Nacht in den Bergen zu verbringen. Kristin dachte, sie hätte den perfekten Platz für die Nacht entdeckt: ein ebener Sims, der wie ein Kartentisch etwa fünfundvierzig Meter über ihnen aus dem Fels ragte. Michael bot an, vorzusteigen, während Kristin ihn von unten sicherte, doch sie sagte, es wäre besser, wenn er sie sicherte. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich

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