Eisiges Blut
Feind nicht immer erwarten, dass er fair kämpft«, sagte Sergeant Hatch und half Sinclair auf die Beine. Er bückte sich und sammelte den schwarzen Rand von Sinclairs Helm auf, klopfte den Staub ab und übergab ihm feierlich, was von seiner Kopfbedeckung übriggeblieben war. »Aber auf dem Pferd kann Ihnen so leicht keiner das Wasser reichen. Sie haben das Tier gut unter Kontrolle.«
»Offensichtlich nicht gut genug.«
Hatch lachte. Obwohl er wahrscheinlich nicht mehr als acht oder neun Jahre älter war als Sinclair, verzog sich sein Gesicht in Tausende winziger brauner Falten und erinnerte Sinclair an ein Pergamentpapier. Es fiel ihm schwer, an seinem Groll festzuhalten.
»Wir Inder«, sagte der Mann und benutzte kühn die Bezeichnung, die im Allgemeinen als Beleidigung galt, »sind so daran gewöhnt, Halunken gegenüberzustehen, dass wir gelernt haben, wie sie zu kämpfen.« Er hielt inne, dann verschwand das Lächeln aus seinem Gesicht. »Und darum müssen Sie es auch lernen.«
Sinclair war leicht überrascht. Für gewöhnlich hörte er nur die edelsten Ansichten von Schlachten, verkündet von adligen Offizieren, deren Kriegserfahrung gleich null war. Auf Hatchs Ratschläge zu hören, erschien ihm schon beinahe wie Verrat. Krieg galt als ein vornehmes Spiel mit ausgefeiltem Regelwerk, an das sich jeder Gentleman zu halten hatte, koste es, was es wolle. Doch hier stand ein kampferprobter Veteran und erzählte ihm, dass es ein Kampf mit Rohlingen war, die den Gegner eher aus dem Sattel rissen, anstatt sich einen ordentlichen Schwertkampf zu liefern.
Während sie ihre Pferde vom Feld führten, gab Sergeant Hatch ihm noch einige Ratschläge aus der neuesten Theorie der Reiterei, die Captain Nolan von den 15 . Husaren vorgelegt hatte. »Wenn Ihr Pferd nach den Sporen tritt, ist das ein Zeichen, dass Sie viel zu weit vorn sitzen. Wenn es übermütig wird, ruht Ihr Gewicht zu stark über den Hinterläufen.« Sie warteten in der Schlange, um durch das Tor zu kommen, als Korporal Cobb auf seinem Reitpferd heranpreschte. Die Flanken des Tieres glänzten vor Schweiß, als er sich bis an den Zaun drängte und dabei den Lancieren mit einem Papier zuwinkte.
»Sie sind gekommen!«, rief er, und sein Pferd bäumte sich auf. »Die Befehle des Kriegsministers!«
Die Männer blieben stehen.
Der Korporal brachte sein Pferd unter Kontrolle, dann richtete er sich im Sattel auf, damit man ihn besser sah und hörte, und verkündete, dass »sich auf Befehl Lord Raglans, Oberkommandierender der britischen Armee im Osten, das 17 . Lancer-Regiment am 10 .August an Bord der Schiffe Ihrer Majestät, der
Neptun
und der
Henry Wilson,
einzuschiffen habe, um Kurs auf Konstantinopel zu nehmen. Dort soll es unter dem Oberkommando von Generalleutnant Lord Lucan helfen, Sewastopol einzunehmen.«
Es gab noch mehr zu verkünden, und Cobb las brav weiter, aber unter dem Jubelgeschrei seiner Kameraden konnte Sinclair nichts mehr verstehen. Viele der Männer warfen ihre Helme in die Luft, andere schwangen ihre Holzschwerter. Einige feuerten gar ihre Pistolen ab und verängstigten die Pferde. Auch Sinclair spürte das Blut in seinen Adern pulsieren. Endlich war es so weit! Er würde in den Krieg ziehen! Am Ende war der ganze Drill, das Exerzieren und das Herumlungern in der Kaserne doch noch zu etwas nütze! Er würde auf die Krim reisen und helfen, die Türken vor den Verwüstungen durch den Zaren zu retten. Er dachte an einen Bilderwitz, den er an diesem Morgen in der Zeitung gesehen
hatte. Er zeigte den britischen Löwen mit dem Hut eines Bobbys, der dem fuchsteufelswilden russischen Bären mit einem Schlagstock auf die Schulter tippte und sagte: »Mein Herr, jetzt ist es aber genug.« Er hörte sich ebenfalls jubeln und sah Frenchie rittlings auf dem Zaun sitzen. Sein Freund feuerte ein Dutzend Männer an, die heiser im Chor sangen: »Herrsche, Britannia! Beherrsche die Wellen!« Sinclair wandte sich zu Hatch um, um ihm auf den Rücken zu klopfen, hielt jedoch kurz zuvor inne, als er das Gesicht des Feldwebels sah.
Anders als die Männer um ihn herum, jubelte Hatch nicht. Er sah nicht ängstlich aus oder zeigte sich in irgendeiner Weise widerwillig, aber er machte auch nicht den Eindruck, als verginge er vor Ungeduld. Ein halbes Lächeln lag auf seinen Lippen, als er den Tumult um sich herum beobachtete, und auf seinem Gesicht lag ein ernster, beinahe versonnener Ausdruck. Es schien fast so, als sähe er ihre Bestimmung, vielleicht sogar ihr
Weitere Kostenlose Bücher