Eisiges Feuer (German Edition)
mehr abgelegt als nur diese Kette. Zweifelhaft, dass er sie jemals wieder offen tragen würde – er war nicht mehr der Erbe von Lichterfels. Aber er war auch nicht mehr der gewissenlose Spieler von einst.
Als Räuber ein besserer Mensch … verrückte Welt. Beten wir zu den Göttern, dass Lys nicht so wird wie ich, wenn er erst einmal mit dem Spiel begonnen hat! Er suchte weiter, wühlte sich durch Schichten von Stoff, größtenteils von Händlern erbeutet. Irgendwo hatte er doch ein passendes Gewand für eine Adelshochzeit versteckt …
4.
Es herrschte bereits tiefe Nacht, als Albor zusammen mit Bille die Brüder voneinander befreite und sie – noch gefesselt – vom Pferd zog. Roban ließen sie bewusst auch noch gebunden, er hatte die letzten Stunden damit verbracht, ihnen jede denkbare grausige Todesart anzudrohen, sobald er die Gelegenheit bekäme. Leeres Gerede, das wussten sie alle, trotzdem ging Albor kein Risiko ein. Die Waffen der beiden legte er in weiter Entfernung ab, dann kümmerte er sich um Lys, während Sveit und Bille rasch für ein Lagerfeuer und die Pferde sorgten. Die beiden Corlins würden dazu kaum fähig sein. Bei dem Älteren wäre es ihnen egal gewesen, würde der in dieser Nacht erfrieren – zu dieser Jahreszeit konnte es empfindlich kalt werden, sobald die Sonne verschwand. Aber Lys durfte nichts geschehen.
Hoffentlich weiß Kirian, was er da angestellt hat!, dachte Albor kopfschüttelnd. Ein wenig Spaß mit einem willigen Gefangenen zu haben war das eine, aber sie alle hatten gesehen, wie weit der Spaß wirklich gegangen war. Noch nie hat er sich verliebt, nie! Hoffentlich ist es gut gegangen, eine Schwärmerei ohne Folgen. Hat man ja schon mal, dass man jemanden trifft, der einen völlig um den Verstand bringt, aber sobald man durch die Laken gerollt ist, verliert man das Interesse … Albor war bewusst, dass Kirian noch immer mehr als interessiert war, doch er klammerte sich an diese Hoffnung. Er wusste genau, wozu sein Hauptmann fähig war und welche Folgen das haben könnte, diese Liebe zu einem Fürsten. Für sie alle.
„Warum bindet mich niemand los?“, schrie Roban wütend.
„Geduld, Eure Hochherrlichkeit“, brummte Sveit grinsend. „Wir müssen erst mal Euren Bruder wiederbeleben, und wenn das klappen sollte und wir verschwunden sind, kann er sich dann um Euch kümmern. Wir wollen gerne noch ein bisschen leben.“
„Mir geht es gut, Ro!“, setzte Lys rasch hinterher, bevor sein Bruder wieder in Panik geraten konnte.
Albor kämpfte noch mit den Handfesseln. Er hasste es, gutes Seil zu verschwenden, zerschnitt es nur, wenn es keine andere Möglichkeit gab. In seinen besseren Tagen war er Seiler gewesen, oh, das war lange her!
„Ist der immer so reizbar?“, fragte Bille so leise, dass Roban ihn nicht hören konnte, und nahm dem jungen Mann die Augenbinde ab.
„Schlimmer“, wisperte Lys lächelnd und richtete sich mühsam auf. „Im Moment hat er wahnsinnige Angst um mich, deshalb hält er sich zurück.“
Die Räuber lachten, Albor klopfte ihm herzlich auf die Schulter.
„Hast es nich’ leicht, eh?“, flüsterte er und übergab ihm ein Bündel. „Vorräte und eure Wasserflaschen. Bleib hier schön brav sitzen, bis du uns nicht mehr hören kannst, dann mach ihn frei, ja? Versucht nicht, uns zu folgen, ihr würdet nur in der Dunkelheit verloren gehen, und es gibt durchaus echte Raubtiere da drin.“
„Schöne Hochzeit, Kleiner“, sagte Bille kaum hörbar. Ein letzter prüfender Blick auf Roban, der in einigen Schritt Entfernung am Boden lag und mit den Fesseln kämpfte; dann nickten die drei Räuber dem jungen Fürstensohn zu und verschwanden im Dickicht. Sie würden noch einige Zeit verschwenden, um falsche Fährten zu legen, nur um ganz sicher zu gehen – es war nicht anzunehmen, dass die Corlins auf dumme Ideen kommen würden, aber sie hatten nicht so lange als Räuber überlebt, weil sie sich auf die Klugheit anderer verließen.
Lys wartete geduldig, bis das Krachen im Unterholz verstummt war und nur noch die gewöhnlichen Geräusche des nächtlichen Waldes sie umgab, dann erhob er sich schwankend und suchte nach den Waffen. Er konnte immer noch nicht vollkommen klar sehen und fühlte sich so zerschlagen, als hätte jemand ihn mit einem Amboss verwechselt und stundenlang mit dem Schmiedehammer bearbeitet.
„Lys? Bist du das?“, rief Roban, als er neben ihm niederkniete.
„Ja, alles in Ordnung.“
Kaum
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