Eisiges Feuer (German Edition)
dastanden, dass ihre Wangen sich berührten, und sich an den Händen hielten.
„Haltet noch ein wenig durch. In Zukunft wird es genügen, wenn wir uns anlächeln und ein wenig Aufmerksamkeit heucheln, doch heute müssen alle glauben, Tisba und Yuve wären von den Toten auferstanden“, erwiderte Lys ebenso leise. Sie lachte bei der Erwähnung des berühmtesten tragischen Liebespaares aller Zeiten, besungen in unzähligen Liedern, Gedichten und Theateraufführungen. Zum ersten Mal blickte sie ihn offen an. Ihre Augen waren schwarz und von eisiger Glut erfüllt. Warum war sie zornig? Verwirrt setzte Lys zu einer Frage an, doch da räusperte sich Maruv, und einen König durfte man nicht ignorieren.
„Wollen wir?“
Während der Zeremonie beobachtete Lys heimlich den König, durchschaute mühelos dessen großväterliches Lächeln. Maruv hatte vor rund einem Jahr seine Königin verloren. An Fieber sei sie gestorben, hieß es offiziell. Vor Gram über all ihre tot geborenen Kinder, munkelten einige. Von Maruvs eigener Hand, behaupteten andere. Tatsache blieb, Maruv war es mit drei Gemahlinnen nicht gelungen, einen Thronerben zu zeugen. Da er der Letzte aus der Linie der Elchenbirg war, würde die Krone nach seinem Tod an Lichterfels fallen, seine nächsten Verwandten. Nur zu gerne hätte Maruv Elyne selbst geheiratet, das war kein Geheimnis – auf diese Weise hätte er die Machtverhältnisse so bewahren können, wie sie im Augenblick waren, anstatt sich einer Allianz zwischen Lichterfels und Corlin stellen zu müssen. Doch Elyne war nicht nur über vierzig Jahre jünger als er, sondern auch seine Großnichte.
Jeder wird nun darauf lauern, ob aus dieser Ehe ein Sohn hervorgeht oder nicht … erst dann wird es gefährlich werden. Mit etwas Glück wagt niemand einen Giftanschlag oder ähnliche Attentate auf uns, aber politische Intrigen sind gewiss …
Die Gesetze zur Erbfolge und Rangordnung waren kompliziert und bargen große Gefahr für jeden Adligen.
Lys konzentrierte sich wieder, die Zeremonie war vorüber. Nun wurde es noch einmal heikel, denn seinen nächsten Schritt hatte er mit niemandem abgesprochen und er würde seinem Vater äußerst missfallen.
„Welche Residenz wird das junge Paar beziehen?“, fragte Maruv feierlich. Nach Erebos’ Willen sollten Lys und Elyne ihren neuen Hausstand auf dem Gebiet der Corlins gründen, und Archym hatte zugestimmt. Doch Lys hatte seine eigenen Pläne.
„Mein König, wenn beide Familien einverstanden sind, will ich mit meiner Gemahlin nach Weidenburg ziehen.“ Er hörte das unterdrückte Schnaufen in seinem Rücken – Weidenburg lag genau auf der Grenze zwischen Corlin und Lichterfels und sehr nahe am Königshof in Purna. Hier würde niemand ihn beeinflussen können, genauso, wie er es geplant hatte.
„Eine interessante Wahl. Kein übermäßig reiches Stück Land, aber eine schöne kleine Burg“, murmelte Maruv, der nicht weniger überrascht war als alle anderen. Da niemand Einspruch einlegte – Erebos und Archym hätten sich eher die Zunge abgebissen als einen Skandal zu provozieren – erteilte der König seinen Segen.
Als Lys mit seiner Frau am Arm durch den Saal schritt, wurde ihm erst wirklich bewusst, was gerade alles geschehen war. Seine Pläne hatten sich allesamt erfüllt, er war verheiratet. Von nun an war auch er ein Spieler. Von nun an trug er Verantwortung, nicht nur für sein eigenes Leben, sondern ebenso für seine Ehefrau, und bald auch für einen gesamten Hausstand. Wie betäubt nahm er die Glückwünsche von allen Seiten entgegen, lächelte, schüttelte Hände, sagte belanglose Floskeln.
Als er und Elyne an der Saaltüre innehielten, da sie sich hier trennen mussten, um sich für das Festmahl umzukleiden und rempelte ihn jemand an, drängte sich an ihm vorbei. Lys wandte den Kopf, erhaschte einen Blick auf den Adligen – ein Graf vermutlich, so wie er gekleidet war – und erstarrte. Nur den Bruchteil eines Herzschlages hielt der Blickkontakt, dann verneigte sich der Mann, entschuldigte sich angemessen und verschwand in der Menschenmenge.
„Komm, Bruder, du musst dich von ihr losreißen, aber nur ganz kurz“, sagte Roban und schlug ihm herzlich auf die Schulter. Er strahlte vor Glück und Zufriedenheit. „Komm jetzt! Du musst sie loslassen!“ Lys fuhr zusammen, schaffte es, sich mit einer schwungvollen Verbeugung von Elyne zu verabschieden und ließ sich dann von Roban mitziehen. Immer wieder blickte er über die Schulter zurück,
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