Eisiges Feuer (German Edition)
gewaltsam zum Schweigen gebracht, trotz dessen Unverschämtheiten, und auf dem Rückweg gut für sie beide gesorgt. Lys trug ihm nichts nach. Viel wichtiger aber war, Albor gehörte zu Kirian. Dem Mann, der noch immer Lys’ Träume beherrschte …
„Herr, das Lager ist errichtet“, meldete Tomar. „Der Gefangene scheint Fieber zu haben“, fügte er hinzu.
„Dann gebt ihm ein passendes Heilmittel. Ich sehe später nach, ob er in der Verfassung für …“ Lys stockte, als er Tomars Gesichtsausdruck sah. „Ihr müsst doch wissen, wie man einen Verwundeten versorgt“, fauchte er wütend. Unfähig! All diese Narren, die sich stolz in einen Wappenrock hüllten, sie waren so unfähig!
„Vergebung, Euer Edelgeboren“, flüsterte Tomar eingeschüchtert. „Man hat es mich nicht gelehrt. Ich war nie auf einem Feldzug dabei, auch keiner der anderen. Wenn auf der Burg jemand verletzt ist, rufen wir den Heiler.“
Lys atmete tief durch und widerstand der Versuchung, Tomar zu schlagen. Es hätte ihm möglicherweise sogar noch mehr Respekt unter den Soldaten verschafft, aber auch jene Art von Verachtung, mit der die meisten Hochadligen heimlich betrachtet wurden.
Immer daran denken: Es ist nicht seine Schuld. Was man ihm nicht beibringt, kann er eben auch nicht leisten.
„Wartet hier“, sagte er und eilte zu seinem Zelt. Man hatte seine Satteltaschen bereits hineingebracht, rasch suchte er den Beutel mit Heilkräutern, den er vorsorglich mitgenommen hatte – dass dieses Treffen so friedlich verlaufen würde, davon hätte er nicht einmal zu träumen gewagt, er hatte mit Kämpfen und überhasteter Flucht gerechnet. „Bringt mich zu ihm“, verlangte er dann. Lys spürte die Blicke der Soldaten, ihr Entsetzen. Anscheinend glaubten sie, er würde den Gefangenen schon jetzt zu Tode foltern wollen.
Wenn ich zu viel Sorge zeige, werden sie allerdings misstrauisch. Das wird schwierig!
Albor war bei Bewusstsein, er blickte zu ihnen auf, als sie zu ihm kamen. Die Todesangst in seinen von Fieber glasigen Augen, als er ihn erkannte, drückte Lys das Herz ab.
„Helft ihm, sich auszuziehen“, befahl er knapp.
„Wozu, Herr?“
„Sofort, Hauptmann!“
Tomar zuckte zusammen und mühte sich dann ungeschickt ab, Albor aus den Kleidern zu schälen, die viel zu groß für ihn waren.
„Heilige Mutter“, fluchte er, als die fürchterlichen Wunden sichtbar wurden. Einiges war notdürftig verbunden worden, allzu viel Mühe hatte man sich nicht gegeben bei einem zum Tode verurteilten Mann.
Lys war froh, dass Tomar zu bestürzt war, um auf ihn zu achten, er konnte sich gerade noch genug beherrschen, nicht laut zu schreien. Doch seine Wut über die Grausamkeit der Menschen zeichnete sich sichtbar in seinem Gesicht ab.
Unzählige kleine Brandwunden, viele von ihnen eitrig, überzogen Albors Körper. Offenbar hatte derjenige, der die Folter übernommen hatte, langsamere Methoden bevorzugt und eine heiße Nadel oder ein ähnliches feines Instrument benutzt, statt, wie sonst üblich, ein Körperteil nach dem anderen mit glühenden Kohlen zu bedecken. Spuren von Peitschenhieben, ausnahmslos entzündet, und tiefe Fleischwunden, bei denen Lys sich nicht ausmalen wollte, wie sie entstanden waren ... Wenn man ihm während der Gefangenschaft Nahrung gegeben hatte, dann nicht viel, Albor war bis auf die Knochen abgemagert.
„Herr … Euer Edelgeboren … wäre es nicht angebracht … hat man ihn nicht genug gestraft …“, stammelte Tomar. Lys riss sich mit aller Kraft zusammen.
„Ich entscheide, wann er genug gelitten hat und sterben darf“, sagte er, mit so viel Kälte, wie er nur aufbringen konnte.
„Besorgt heißes Wasser für einen Tee, außerdem alles, was zum Waschen und Verbinden der Wunden notwendig ist. Eilt Euch!“
„Herr, ich kann keine Wunden versorgen“, wisperte Tomar verstört.
„Dann wird es Zeit, dass Ihr es lernt. Hinaus!“
Lys wartete, bis sein Hauptmann endlich fort war, dann kniete er neben Albor nieder. Angsterfüllt zuckte der vor ihm zurück, sein Arm fuhr hoch, in einer hoffnungslosen Geste, seinen Kopf zu schützen. Lys hätte schreien können über all diesen Wahnsinn, der ihn zwang, sich wie ein Tyrann zu benehmen.
Wie ein Fürst, ein Meister des Intrigenspiels!
„Tomar ist ein Idiot, er versteht keine andere Sprache“, flüsterte er, unsicher, ob sich Soldaten in Hörweite befanden.
„Hast es nich’ leicht, eh?“ Albor ließ den Arm sinken, doch er zitterte weiterhin vor Schmerz
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