Eisiges Feuer (German Edition)
und steigendem Fieber, und die Furcht war nicht aus seinem Gesicht gewichen.
„Nein, es ist nicht leicht. Ich muss der Welt eine Fassade aus Eis präsentieren, damit ich in diesem Spiel überleben kann. Nur so kann ich dich schützen, Albor. Ich verspreche, dass ich dir kein Leid zufügen werde.“ Lys legte ihm eine Decke über und drückte ihm dann beruhigend die Hand. Ein schwaches Lächeln erhellte das zerschlagene, von Qual verzerrte Gesicht.
„Ich hatt’ Angst, du wärst so’n echter Fürst geworden. Oder schon immer gewesen. Du machst einem Angst, wenn du so bist.“
„Ich mache mir selbst Angst, Albor. Glaub mir, ich weiß nicht, was bei meiner Geburt schief gelaufen ist, aber ich gehöre nicht in diese Welt.“
„Lys …“ Albor packte ihn am Arm und krallte sich mit überraschender Kraft fest. „Lys, bitte, flick mich nicht zusammen, dass ich in einem Kerker verrotten muss!“ Er begann zu weinen, von unsagbaren Schmerzen zerrüttet. „Tu mir das nicht an, Kleiner. Mach ein Ende!“
Lys wartete, bis der Krampf vorüber war, aufgewühlt bis in die Tiefen seiner Seele. Erst jetzt sah er, dass man Albor an der linken Hand zwei Finger geraubt hatte, den kleinen und den Ringfinger. Die Stümpfe waren ausgebrannt worden. Als der Griff um seinen Arm sich lockerte und Albor kraftlos zurücksank, beugte Lys sich hinab und flüsterte ihm zu: „Ich flicke dich zusammen, damit du frei leben kannst, Albor. Ich schwöre, du wirst in keinem Kerker verenden müssen. Sollte ich es nicht schaffen, dich zu heilen, erlöse ich dich. Sollte ich dich nicht fliehen lassen können, dann auch. Vorher habe ich aber alles getan, was in meiner Macht steht.“
Es brannte in ihm, nach Kirian zu fragen, doch das musste warten. Albor schloss die Augen, ohne ihm zu antworten, aber er drückte noch einmal Lys’ Hand, bevor er das Bewusstsein verlor.
Als Tomar mit dem Wasser zurückkehrte, saß Lys weit entfernt von dem Verletzten und fertigte eine Heilsalbe an.
„Seht hin, Hauptmann, und lernt!“ Herablassend erklärte Lys ihm Namen und Wirkweisen einiger Kräuter, und woran sie zu erkennen waren. Währenddessen ließ er bereits einen Tee in dem Becher durchziehen, den Tomar mitgebracht hatte.
„Diese Iqua-Wurzeln sind ein starkes Mittel, das nur bei schweren Verletzungen benutzt wird. Es nimmt Schmerzen und schenkt tiefen Schlaf. Wendet es nicht an, ohne einen fähigen Heiler zu befragen, denn nimmt man zu viel, erwacht der Verwundete niemals wieder. Dazu gebe ich noch zerstoßene Ulbirem-Blätter, um das Fieber zu senken und die Entzündungen von innen zu bekämpfen.“
„Warum wollt Ihr ihm die Schmerzen nehmen?“, fragte Tomar verwirrt.
„Ich will ihn lebend. Dieser Verbrecher wird lange leiden, aber dafür muss ich ihn erst einmal gesund pflegen, damit er den Weg nach Weidenburg übersteht. Verwechselt es nicht mit Mitleid oder weibischer Schwäche, dass ich ihn gut versorge!“
Tomar schwieg und beobachtete sichtbar staunend, mit welch ruhiger Hand Lys die Wunden des Räubers auswusch, welche Kenntnisse er besaß.
„Meine Mutter verstand viel von Heilkunde und hat es an mich und meinen Bruder weitergegeben“, sagte Lys schroff. „Es ist unentbehrlich für jeden Soldaten, etwas über Wunden zu wissen. Nicht immer ist ein Heiler zur Hand, egal ob auf einer Burg oder dem Schlachtfeld.“
Als er mit Albor fertig war, atmete der wesentlich leichter und seine von Schmerz verkrampften Muskeln entspannten sich.
„Zieht ihn an und gebt ihm reichlich zu trinken, Wasser und Brühe. Schafft Ihr das, oder braucht Ihr dafür auch Anleitung?“, fragte Lys spöttisch. Tomar schüttelte verbissen den Kopf. „Das ist gut“, sagte Lys mit gesenkter Stimme und legte dem gedemütigten Mann eine Hand auf die Schulter. „Ich brauche Euch, Tomar. Ich habe wenige Freunde und kaum zuverlässige Leute. Mein eigener Schwiegervater arbeitet gegen mich, versucht mich öffentlich bloßzustellen, damit ich keinerlei Unterstützung erhalte, ihn umzubringen. Zeigt, dass ich Euch vertrauen kann, und Ihr werdet es unter mir weit bringen. Leistet Euch zu viele Fehler, greift wieder zum Schnaps, und ich lasse Euch fallen. Ihr versteht?“
Tomar nickte eifrig. „Danke, Herr. Ich werde Euch nicht enttäuschen.“
„Gut. Achtet auf diesen Gefangenen, Ihr seid für ihn verantwortlich. Seht keinen Menschen in ihm, sondern ein Wertstück. Lasst Euch von Euren Leuten helfen, ein guter Hauptmann weiß Arbeiten zu delegieren. Ach, und
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