Eisiges Feuer (German Edition)
Der Mann lachte und stöhnte im Wechsel, seine Wunden brachen dabei auf und bluteten so heftig, dass sich Tomars Magen umdrehte.
Lys faltete die Botschaft sorgfältig zusammen, steckte sie in einen Beutel an seinem Gürtel. Dann riss er seinen Dolch hervor, so rasch, dass niemand ihn hindern konnte, und rammte ihn in die Brust des Söldners. Der Mann bäumte sich schnaufend auf, sank dann stumm zurück. Das Lachen war endlich verstummt.
„Ruft mir den Burgverwalter und jeden Truppenhauptmann, der noch auf den Beinen steht“, befahl Lys. Seine Stimme schwankte kaum merklich, doch sein Gesicht zeigte keine Regung, als er den Dolch wieder an sich nahm und einem der umstehenden Soldaten in die Hand drückte. „Reinigt ihn! Ich bin in meiner Schreibkammer.“
Tomar wollte ihm folgen, doch Lys winkte ab.
„Ihr sammelt Eure Männer. Sofort!“
Einen Moment lang zögerte er, dann eilte er seinem Herrn hinterher.
„Euer Edelgeboren? Es war ein Akt der Gnade. Ihr habt dem Mann Stunden voller Qual erspart.“
Lys blieb stehen, ohne sich umzuwenden.
„Ich weiß. Es war trotzdem meine Hand, mein Hass, meine Wut. Nichts kann das ändern.“
Tomar blickte ihm nach, wie er die Treppen hinaufjagte, immer drei Stufen auf einmal nehmend.
So lange Ihr das wisst, Herr, bleibt Ihr der Mann, zu dem ich aufblicke …
19.
Anniz band sich den neugeborenen Erben des Hauses Corlin-Lichterfels an den Körper. Das breite Tuch schützte und wärmte das Kind, stützte das empfindliche Köpfchen ab; es würde verhindern, dass es ihr während des Rittes aus den Armen fiel. Die Amme fürchtete sich nicht davor, ins Ungewisse zu reisen, ihr war es vollkommen gleich, wo sie sich um den Jungen zu kümmern hatte. Doch vor dem Reiten fürchtete sie sich sehr. Zeit ihres Lebens, immerhin fünfunddreißig Jahre mittlerweile, war sie zu Fuß gegangen, allenfalls mal hinten auf einem Ochsenkarren mitgefahren. Pferde, das waren diese Luxusgeschöpfe der Reichen und Adligen, der Händler und Großbauern. Und so näherte sie sich dem Pony, das man ihr zugedacht hatte – ein sanftes, ruhiges Tier – mit äußerster Vorsicht. Ihr Herr saß bereits auf seinem Hengst, umgeben von nahezu allen Bewohnern der Burg, die unverletzt geblieben waren. Alles war bereit. Es musste sein! Das Kind musste in Sicherheit gebracht werden, fort von hier, wo es Gefahr für alle Menschen bedeutete, egal wie unschuldig es war. Niemand außer dem jungen Fürst selbst wusste, wo dieser Ort sein würde. All die wichtigen Leute hatten den Herrn bedrängt, doch zumindest die Richtung anzudeuten, damit man wusste, wo man nach ihm suchen sollte, falls er verloren ging. Doch er beharrte darauf, es geheim zu halten.
Recht hat er! Je weniger es wissen, desto weniger können was verraten. Anniz riss sich zusammen und versuchte herauszufinden, wie man auf eine solche Kreatur kletterte, ohne sich das Kleid zu zerreißen oder einfach hinten überzukippen.
„Anniz, kannst du reiten?“, fragte Lys mit gerunzelter Stirn.
„Nein, Herr, aber ich werde es lernen“, erwiderte sie tapfer.
Seufzend sprang Lys zu Boden und schnallte die Satteltaschen wieder ab.
„Bringt mir den Weißen, das hat ja so keinen Sinn“, befahl er.
„Herr, mit dem Weißen ist es unmöglich, noch ein Handpferd zu bändigen, aber mit nur einem Pferd könnt Ihr nicht genug Ausrüstung mitnehmen“, sagte der Burgverwalter.
„Es ist Sommer, ich kann auf eine Decke verzichten. Der Wald bietet einiges an Nahrung. Ich werde auch ohne Proviant nicht verhungern, es reicht, wenn genug für Anniz dabei ist. Ohne sie verhungert mein Sohn.“
Der Weiße, das war ein riesiges Kaltblutpferd, stark und ausdauernd. Mit ihm konnte man weder Rennen gewinnen noch Eindruck schinden, aber er würde zwei Erwachsene, das Kind und einiges an Ausrüstung tragen können, ohne zu ermüden.
„Heilige Mutter!“, wisperte Anniz ehrfürchtig, als sie neben dem Tier stand. Ihr Kopf befand sich mehr als zwei Fingerbreit unter der Kruppe.
„Nun, rauf mit dir!“ Lys hob sie mitsamt dem Kind hoch in den Sattel und schwang sich dann hinter sie.
„Schickt die Boten sofort los“, mahnte er Tyore, den Verwalter ein letztes Mal. „Corlin, Lichterfels und der Königshof müssen erfahren, dass ich Weidenburg verlassen habe. Sagt es jedem, den ihr seht, schreibt es auf ein Banner und hängt ihn über die Burgmauer, wenn es sein muss. Euer aller Leben hängt davon ab. Und Ihr, Tomar, habt Eure Befehle.“ Damit trieb
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