Eisiges Feuer (German Edition)
Ehrengedanken unterdrückend, einen Gegner niemals von hinten anzufallen. Roban würde mich dafür auf ewig verachten … Die anderen wirbelten herum, versuchten ihn zu attackieren. Dabei behinderten sie sich gegenseitig, doch ihre schwingenden Waffen drohten auch Anniz zu treffen.
„Runter!“, brüllte Lys ihr zu und verteidigte sich verbissen. Tomar und seine Leute kamen ihm zur Hilfe, und nur Augenblicke später waren die vier Söldner tot.
„Zu Elyne!“, befahl Lys. Sein Herz jagte, ihm wurde bewusst, dass er von fremdem Blut durchtränkt war. Lange würde er nicht mehr durchhalten. Bis jetzt hatten Wut und Anspannung ihn getragen, aber nun schwanden seine Kräfte. Er rannte in den nächsten Raum, um zu Elyne zu gelangen, auch sie vor den Angreifern zu beschützen, die irgendwie in die Burg gelangt waren. Leere begegnete ihm.
Lys taumelte gegen die Wand, seine Glieder waren mit einem Mal schwer wie Blei.
„Herr? Seid Ihr verletzt?“ Tomar packte ihn heftig am Arm.
„Nein.“ Lys wischte sich mit einer zitternden Hand Blut und Schweiß von der Stirn, riss sich noch einmal zusammen.
„Meine Frau wurde entführt. Folgt ihnen! Versucht sie zu befreien!“
Er selbst rannte voraus, getrieben von aller Entschlossenheit und Kraft, die noch in ihm steckte. „Vier Mann bleiben bei der Amme! Verteidigt sie und das Kind mit eurem Leben!“, befahl er, dann jagte er in Richtung Westtor. Wer auch immer den Angriff befohlen hatte, er kannte alle Stärken und Schwächen der Burg. Von den fürstlichen Gemächern führten Gänge in alle Richtungen, doch das Westtor lag am Nächsten. Lys behielt recht: Elynes Entführer hatten diesen Weg genommen, er folgte ihrer Spur erschlagener Diener und Burgsoldaten. Aber so rasch er auch lief, er holte sie nicht mehr ein. Als er das Tor erreichte, fand er nur zwei tote Wächter vor.
„Zu den Pferden!“, schrie Tomar, doch Lys hielt sie auf.
„Zu spät“, flüsterte er. „Zu spät.“ Der Stall befand sich am Haupttor, über fünfhundert Schritt von hier. Bis sie dort ankämen, die Pferde zumindest aufgezäumt hatten und bereit waren, die Verfolgung zu beginnen, wäre der Vorsprung der Söldner nicht mehr aufzuholen.
„Es dauert noch Stunden bis zur Dämmerung, es hat lange nicht geregnet. Wir werden im Dunkeln kaum Spuren finden. Sicherlich trennen die Männer sich, um falsche Fährten zu legen“, sagte er tonlos, sank dabei erschöpft auf die Knie.
„Bleibt bei ihm!“, befahl Tomar, und wies auf sechs seiner besten Männer. „Ihr anderen, zu mir! Falls noch Söldner in der Burg sind, versuchen sie vielleicht noch einmal, den Jungen zu greifen.“
Lys versuchte aufzustehen, doch alles drehte sich in farbigen Spiralen.
„Herr, Ihr seid verletzt!“, rief eine Stimme aus weiter Ferne.
„Nicht mein Blut“, murmelte er. Dann wurde es dunkel.
18.
Lys erwachte von dem Gefühl, dass ein Riese ihn durchschüttelte wie eine Lumpenpuppe. Mühsam blickte er um sich: Zwei Männer trugen ihn eine Treppe hoch.
„Er wacht auf. Herr? Bleibt ruhig, es ist alles in Ordnung. Wir bringen Euch in den großen Saal.“
„Tomar.“ Lys hasste seinen Körper, der einfach nicht gehorchen wollte. Warum war er plötzlich so schwach? „Das Kind … Elyne … wie viele sind gefallen?“ Alle Fragen, die in ihm brannten, stürzten zugleich aus ihm heraus.
„Ruhig, Herr! Die Amme und Euer Sohn sind sicher. Die Söldner sind fort, wir tragen gerade alle Toten und Verletzten zusammen. Mehr weiß ich nicht. Ihr seid verletzt, Herr, am Rücken.“
Lys wollte widersprechen, doch jetzt spürte er den brennenden Schmerz unterhalb der linken Schulter. Anscheinend hatte ihn doch jemand erwischt. Erschöpft ließ er den Kopf zurücksinken und hoffte darauf, dass sie bald ihr Ziel erreichten. Der Griff, mit dem seine Träger ihn hielten, schmerzte, das Schaukeln war kaum erträglich. Er dämmerte gequält vor sich hin, bis er zahlreiche Stimmen hörte und spürte, wie man ihn auf einen Tisch legte.
„Was ist mit ihm? Er ist doch nicht etwa tot?“, schrie jemand. Aufgeregte Menschen drängten sich um ihn. Lys zwang sich, die Augen zu öffnen. Tomar befand sich in der Nähe und kam sofort, als er hörte, wie sein Herr seinen Namen flüsterte.
„Tomar, sag ihnen, sie sollen mich in Ruhe lassen. Einer wird reichen, mich zu versorgen, es gibt sicher andere, die dringender Hilfe brauchen“, wisperte er. „Weckt mich im Morgengrauen, spätestens!“ Sein Körper
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