Eisiges Feuer (German Edition)
forderte nun mit Macht nach Ruhe, Lys hörte nicht einmal mehr Tomars Antwort, bevor er in todesähnlichen Schlaf versank.
„Herr?“ Widerstrebend rüttelte Tomar an der Schulter des jungen Mannes, der so bleich und erschöpft aussah, selbst im Schlaf. Doch Befehl war Befehl, und vielleicht sah Lys von alleine ein, dass er noch viel länger ruhen sollte. Zum Glück war die Schwertwunde, die sein Herr erlitten hatte, nur ein oberflächlicher Schnitt, der Blutverlust nicht allzu hoch. Doch jeder wusste, dass Lys in der vergangenen Woche kaum Schlaf gefunden hatte, und der Angriff war zwar kurz, dafür aber heftig gewesen. Nur zu gerne hätte Tomar gewusst, was Lys mitten in der Nacht am Südwall gesucht hatte, ohne diese Warnung hätten die Angreifer auch das Kind entführt, und es hätte weitaus mehr Tote gegeben. Diese Fragen mussten allerdings warten, es gab Dringenderes zu klären.
Leise stöhnend schlug Lys die Augen auf und blinzelte ihn verwirrt an.
„Herr, Ihr wolltet geweckt werden.“
Ruckartig schnellte Lys in die Höhe und starrte ihn an. Er war in einen kleinen Raum in der Nähe der Großen Halle getragen worden, nachdem man seine Wunde versorgt hatte.
„Wie viele Tote und Verletzte?“, fragte er, schwang sich von der Liege, auf der er geschlafen hatte. Er schwankte leicht, schien aber entschlossen, das zu ignorieren.
„Siebzehn Tote auf unserer Seite, Herr, hauptsächlich Soldaten, und einige Bedienstete, die wohl versucht haben, sich gegen die Angreifer zu verteidigen. Mit Euch sind es an die vierzig Verletzte, zum Glück nur wenige wirklich ernstlich.“
Lys fluchte laut und griff nach der sauberen Kleidung, die man ihm bereitgelegt hatte. Lediglich rund zweihundert Menschen lebten auf dieser Burg, der Angriff hatte sie wirklich hart getroffen.
„Die Königsgarde?“, fragte er knapp.
„Werden es alle überleben. Die habe ich nicht mitgezählt, falls Ihr das fragen wolltet.“
„Wenn ich herausfinde, welcher Bastard das getan hat!“, flüsterte Lys, und in seinem Blick lag so viel Hass, dass Tomar nicht daran zweifelte, diesmal war es seinem Herrn Ernst.
„Irgendjemand hat zuerst den Südturm niedergebrannt, dann die Wächter vergiftet und, während wir uns dort gesammelt haben, das Westtor geöffnet. Die Torwachen wurden von vorn erschlagen, hatten aber keine Waffen gezogen. Sie haben also ihren Mörder gekannt und ihm vertraut. Es war einer unserer eigenen Leute“, fuhr Lys fort.
Tomar nickte nur verblüfft – das hatte er in der Hitze des Gefechts nicht gesehen.
„Herr“, begann er dann zögerlich, während Lys sich bereits die Stiefel schnürte. „Herr, was habt Ihr jetzt vor?“
„Ich koordiniere die Verfolgung von Elynes Entführern, gebe dem Burgverwalter schriftliche Befehle und mein Versprechen, dass ich ihn zu Tode peitschen lasse, wenn er nur einen davon missachtet und bringe dann meinen Sohn in Sicherheit. Er war eines der Ziele, mich hingegen hat man verschont, obwohl es zahllose Gelegenheiten für die Angreifer gab, mich zu töten, schwer zu verletzen oder ebenfalls zu verschleppen. Wenn ich mit dem Jungen erst einmal fort bin, seid ihr alle hier sicher.“
„Herr, einer der Söldner hat überlebt und verlangt nach Euch. Es wäre wichtig, dass Ihr mit ihm sprecht, ich weiß nicht, wie lange der noch durchhält.“
„Dann bring mich zu ihm!“, befahl Lys. Er war wieder der vollkommene Fürst, aus Eis und Stahl geschmiedet, und Tomar fand keinerlei Anzeichen, dass irgendetwas davon gespielt war.
Der Gefangene war schwer verwundet, selbst wenn man sich aufrichtig um ihn bemüht hätte, wären seine Stunden gezählt gewesen.
Lys starrte auf den Mann nieder, der bei vollem Bewusstsein war und trotz der immensen Schmerzen, die er litt, den jungen Fürsten sofort erkannte.
„Der edle Herr besucht mich, welch ein Fest“, höhnte er.
„Du wolltest mich sprechen, hat man mir gesagt. Fass dich kurz“, erwiderte Lys unbewegt.
„Hab ’ne Nachricht. In meinem Wams.“
Tomar entdeckte das zerschnittene, blutige Kleidungsstück und untersuchte es hastig. Ein Stück Pergament, zwar mit Wachs versiegelt, aber ohne erkennbares Insignium, fiel ihm entgegen. Lys nahm es und las die wenigen Zeilen. Er wurde noch blasser, falls das möglich war, Grauen spiegelte sich in seinen Augen.
„Keine Liebesbotschaft, eh?“, lachte der Söldner. Lys’ Hand krampfte sich um das Pergament.
„Jetzt biste nich’ mehr so stolz, ha? Auch euch kriegt man klein!“
Weitere Kostenlose Bücher