Eisiges Feuer (German Edition)
getötet, um dich befreien zu können. Es wird nicht lange dauern, bis er gefunden wird, je nachdem, ob die Wächter klug genug sind, meine List nachträglich zu durchschauen. Man wird uns jagen.“
„Dann sollten wir jetzt weiter reiten.“ Der Frost in Lys’ Stimme schmerzte mehr, als Kirian sich eingestehen wollte.
„Du bist verletzt, ich würde …“
„Man hat mich bereits versorgt. Ich kann reiten.“ Mit steifen, sehr langsamen Bewegungen stand er auf, zog sich mühsam auf das Pferd und schaffte es dabei irgendwie, aufrecht zu bleiben.
Kirian unterdrückte mehrere widerstrebende Impulse. Lys zusammenzuschlagen wäre ebenso sinnlos wie vor ihm auf die Knie zu fallen und um Gnade zu betteln. Also stieg er ebenfalls in den Sattel zurück und ritt schweigend voraus. Sein Pferd scheute mehrmals, weil Kirian zu heftig am Zügel riss. Verzweiflung und Wut brannten in ihm, unerträglich …
Sie ritten, so rasch, wie es möglich war, ohne die Pferde umzubringen. Lys sprach die gesamte Zeit über kein Wort, wandte sich ab, wann immer Kirian sich zu ihm umdrehte. Obwohl er es hinter seiner Maske beherrschter Gleichgültigkeit zu verbergen suchte, war deutlich zu erkennen, in welch schlechter Verfassung er wirklich war. Die Art, wie er immer wieder zusammenfuhr, wie steif er sich hielt, verriet ihn. Wann immer Kirian davon sprach, anzuhalten und auszuruhen, schüttelte er den Kopf und biss sich auf die Lippen. So lange, bis Kirians Wut sich am frühen Vormittag endlich durchsetzte.
„Schluss jetzt. Wir machen Rast!“, zischte er und griff in die Zügel von Lys Pferd.
Er sprang ab, wollte Lys helfen, doch der war schon selbst abgestiegen und machte Anstalten, das Tier abzusatteln.
„Setz dich. Oder leg dich. Das hier mache ich“, befahl Kirian knapp, in einem Ton, der keinen Widerspruch erlaubte.
Lys schnaubte, fügte sich jedoch schweigend und setzte sich zu Boden. Kirian seufzte innerlich, beeilte sich dann, die Pferde zu versorgen und ihre Ausrüstung zu sortieren. Stumm hielt er Lys eine Decke und Verbände hin, wusste aber schon, dass er damit keinen Erfolg haben würde.
„Ich will keine Wickel. Ich will auch nichts gegen die Schmerzen. Lass mich einfach, ja? Lass mich einfach in Ruhe“, fauchte Lys, schnappte sich die Decke und rollte sich auf dem Boden ein, mit dem Rücken zu Kirian gewandt.
„Du brauchst Hilfe, sei doch vernünftig. Ich habe gesehen, wie der Bastard dich mit der Gerte gepeitscht hat. Sag mir nicht, dass deine Wunden nicht schmerzen!“
„Wird schon noch aufhören“, klang es dumpf unter der Decke hervor.
Kirian stieg über ihn hinweg und setzte sich dicht neben ihm nieder. Wenn er seinen Liebsten wahrhaftig verloren haben sollte, würde er das hinnehmen, aber er wollte Klarheit, jetzt und sofort. Doch bevor er etwas sagen konnte, griff Lys nach seiner Hand. Nicht abwehrend oder ruckartig, sondern langsam, auf der Suche nach Halt.
„Bitte lass mich“, flüsterte er, diesmal ohne Wut. „Ich weiß, du willst nur helfen, aber es geht nicht. Nicht jetzt.“ Lys nahm die Decke soweit zurück, dass sie einander anblicken konnten. Er war so weiß im Gesicht, dass er fast transparent schien, seine von Qual erfüllten Augen standen riesig hervor. Die dunklen Schlagmale auf den Wangen waren deutlich sichtbar.
„Hier oben“, fuhr er mit vor Schmerz schwankender Stimme fort und wies auf seinen Kopf, „da weiß ich das genau, Kirian. Ich weiß, dass es Wahnsinn war, gegen zwanzig bewaffnete Reiter das Schwert zu ziehen, ich weiß, dass es so tollkühn wie klug war von dir, dich nicht gefangen nehmen zu lassen. Du hast viel riskiert … Hier oben bin ich dir unendlich dankbar, bewundere ich die List und Kaltblütigkeit, mit der du mich da herausgeholt hast. Aber hier, hier ist es anders.“ Er legte eine Hand aufs Herz. „Ich habe Stunden damit verbracht, mich verraten und zurückgelassen zu fühlen. Ich lag da in meinem Verlies und habe gewusst, dass du nicht der Mann bist, der nur sein eigenes Leben retten will. Ich wusste, du würdest kommen, wenn es dir nur irgendwie möglich ist, darauf hat ein Teil von mir vertraut. Aber die leise Stimme im Hinterkopf blieb, dass du es vielleicht nicht rechtzeitig schaffen würdest. Diesmal vielleicht nicht.“
„Lys, ich …“
Er ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Du kannst nichts tun, Kirian. Es gibt nichts, was du sagen oder tun könntest. Das muss ich mit mir alleine ausmachen.“ Er küsste ihm die Hand und ließ ihn dann los,
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