Eisiges Feuer (German Edition)
noch! Jetzt musste er sich nur noch das Blut abwaschen, sein eigenes von den harten Schlägen, die er Bartolos versetzt hatte, und das fremde. Auf dem Weg zur Waschschüssel musste er über die Lache am Boden hinwegsteigen. Ein spontaner Gedanke schoss ihm durch den Sinn, impulsiv setzte er ihn sofort um: Er packte die Hand des Toten, zerrte den schweren Körper auf die Seite, tauchte dessen Zeigefinger in das Blut und schrieb damit die ersten vier Buchstaben seines Namens. Das letzte „i“ verschmierte er, sodass es schien, als wäre dem Sterbenden die Kraft ausgegangen.
„Was tut man nicht alles für seine Legende!“, murmelte er, als er sein Werk zufrieden betrachtete. Dann reinigte er sich rasch die blutigen Fingerknöchel, steckte dann das wertvolle Pergament ein. Dabei bemerkte er Lys’ Waffen, die achtlos zu Boden geworfen worden waren, und nahm sie mit.
Die Frau war bei Bewusstsein, sie kämpfte stöhnend gegen Fessel und Knebel. Kirian riss ihr den Stoff herunter, mit dem er ihren Kopf verhüllt hatte. Sehen konnte er es nicht, dazu war es in diesem Teil des Raumes zu dunkel, aber sie schien soweit wohlauf. Keine Gefahr, dass sie ersticken könnte. Jetzt hieß es nur noch beten, dass der Stoff und die zusätzliche Decke ihr Gehör soweit gedämpft hatten, dass sie nichts über seine wahre Identität erfahren hatte.
„Bleibt still. Im Morgengrauen wird man Euch finden und befreien!“, zischte er ihr zu. Dann verließ er das Zimmer. Er musste zu Lys, sofort! Jetzt war die beste und zugleich einzige Gelegenheit, seinen Plan umzusetzen.
Kirian zog seine Kapuze tief ins Gesicht und eilte die Treppen hinab, bis er die Verliese fand. Niemand begegnete ihm unterwegs, nicht einmal mehr die Katze. Eine stahlbeschlagene Tür versperrte ihm den Weg, doch damit hatte er gerechnet und klopfte energisch mit dem Knauf seines Säbels dagegen. Es dauerte einige Augenblicke, dann öffnete sich eine Klappe in der Tür.
„Öffnet, im Namen des Freiherrn!“, befahl Kirian und hielt dem Wächter das Dokument entgegen.
„Das hat der Herr nicht geschrieben, ich kenne seine Schrift“, knurrte der Mann, dessen Glatze im Laternenlicht leuchtete.
„Natürlich nicht, du Narr! Der obere Teil stammt von meinem Herrn, der weit höher steht als der deine. Prüfe die Unterschrift.“
Der Wächter hob die Laterne höher, studierte das Pergament. Dann öffnete er die Tür.
„Ich veranlasse alles, Herr“, brummte er und rief über die Schulter: „Geros, Minar, führt den Mann zu dem Gefangenen. Er hat Order, den Corlin sofort mitzunehmen.“
„Zwei Pferde brauche ich. Meins ist erschöpft“, fügte Kirian hinzu. Zwei weitere Kerkerwächter erschienen, beide waren deutlich angetrunken.
„Müssen wir da nicht den Herrn wecken?“, fragte einer, während er sich erst das fettige dunkle Haar, dann ausgiebig am Bauch kratzte.
„Der da hat Unterschrift und Siegel vom Herrn. ICH gehe jetzt nicht und störe den Herrn in der Nacht.“
Der Glatzkopf drängte sich an Kirian vorbei. „Werde dann mal die Pferde und Ausrüstung bereitstellen.“ Man sah ihm an, dass er nicht allzu begeistert von der Aussicht war, zu dieser Stunde den Stallmeister wecken und zwei Pferde fordern zu müssen. Genau darauf spekulierte Kirian, alle würden ihn schnell loswerden wollen und nicht genau nachforschen. Sollte das hier schief gehen, waren er und Lys verloren …
„Nimm die Waffen des Gefangenen mit, es sind wertvolle Trophäen“, befahl er herablassend.
Die beiden anderen Wächter liefen voraus und führten Kirian zu einer weiteren schweren, mehrfach verriegelten Tür. Ohne die passenden Schlüssel wäre er hier niemals durchgekommen, das war mehr als offensichtlich.
„So, da is’ er“, sagte der zweite Mann, der bis jetzt geschwiegen hatte. Er war groß und so muskulös, dass Kirian sich wahrhaftig nicht mit ihm anlegen wollte. Dieses Unbehagen zeigte er jedoch nicht, genauso wenig wie seine Sorge, in welchem Zustand sich Lys befinden würde.
„Wurde der Gefangene gefoltert?“, fragte er betont sachlich.
„Nee. Der war allein von dem Weg hierher kaputt. Hat mächtig Schläge gekriegt. Wird aber wohl laufen können, mit ’n bisschen Überredung.“
„Ah, verdammt, wir brauchen den Schlüssel vom Herrn“, fiel dem Dunkelhaarigen plötzlich ein. „Nur damit krieg’n wir die Ketten auf.“
Kirian zückte wortlos den Schlüssel, den er mitgenommen hatte. Er wagte kaum, die stille Gestalt anzusehen, die verkrümmt auf
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