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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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auch nicht fertig, mit ihm darüber zu reden, weil sie sich nicht von ihm als
Idiotin, Schwachkopf
oder
Närrin
beschimpfen lassen wollte. Aber nachdem sie nach Toronto gezogen waren, hatte Dorothy Bell sich vorgenommen, wenn auch nicht zu schnüffeln, so doch im Auge zu behalten, was mit den Patienten ihres Mannes passierte.Natürlich verbot es die Schweigepflicht, dass sie die Namen der Patienten erfuhr. Doch hin und wieder hörte sie Frederick telefonieren. Und es war schon mehrmals vorgekommen, dass er, wenn jemand gestorben war, zu ihr gesagt hatte: »Das war ein Patient von mir. Der arme Kerl.«
    Ihr war aufgefallen, dass er die Todesanzeigen aus der Zeitung ausschnitt und sammelte.
    Frederick hatte sich in Toronto nie wohlgefühlt, aber nachdem er einige Monate am Queen Street Mental Health Centre gearbeitet hatte, nahm er eine Stelle am Ontario Hospital in Algonquin Bay an. Er erklärte seiner Frau, er habe das Großstadtleben satt, er wolle lieber in einer Kleinstadt wohnen, und sie hatte keinen Grund, an seinen Worten zu zweifeln.
    Das war vor zwei Jahren gewesen. Aber seitdem war ihr aufgefallen, dass drei der Patienten ihres Mannes Selbstmord begangen hatten: Leonard Keswick, ein Angestellter der Stadtverwaltung, Catherine Cardinal, eine Dozentin und Fotografin, und jetzt dieser Perry Dorn. Über alle drei war in der Zeitung berichtet worden, über den einen, weil er eines Verbrechens beschuldigt wurde, über eine andere, weil sie tot vor einem Neubau gefunden worden war, und über diesen dritten, weil er sich in aller Öffentlichkeit erschossen hatte. Es war ungeheuerlich, aber Dorothy vermutete, dass es wahrscheinlich noch mehr Fälle gab.
    Und dieser junge Mann, dieser Perry Dorn. Warum hatte Frederick nichts davon erwähnt, dass er sein Patient gewesen war? Nicht nur in der Zeitung, sondern auch in den Nachrichten war darüber berichtet worden. Normalerweise hätte sie damit gerechnet, dass er sich schockiert oder bestürzt zeigen würde, aber nein, er hatte kein Wort dazu gesagt.
    Dorothy legte den Artikel weg und packte die restlichen Zeitungen zusammen. Zeit, einkaufen zu fahren, bevor die Läden am späten Nachmittag zu voll wurden. Auf dem Wegnach draußen blieb sie vor Fredericks geschlossener Tür stehen. Durch die Tür aus massiver Eiche drangen kaum Geräusche, aber sie hörte seine Stimme und die etwas leiseren Antworten eines Patienten. Im Moment befand sich kein Patient im Sprechzimmer, und der nächste würde erst in einer halben Stunde kommen. Nein, er sah sich eine Aufzeichnung von einer Sitzung an. Das tat er häufig.
    Sie hatte ihn einmal darauf angesprochen. Hatte wissen wollen, warum er das so oft tat.
    »Fortbildung«, hatte er auf seine unverbindliche Weise geantwortet. »Man ist nie zu alt, um sich zu verbessern. Wenn ich mir die Aufnahmen anschaue, dann fallen mir versteckte Hinweise auf, die mir vorher entgangen sind, dann kann ich mir die Körpersprache des Patienten noch einmal genau ansehen. Außerdem kann ich mir auf diese Weise alles besser merken.«
    Das hat längst nichts mehr mit Fortbildung zu tun, dachte Dorothy, als sie die Haustür hinter sich schloss. Inzwischen zog Frederick sich jeden Abend, wenn andere Leute lasen, fernsahen oder ins Bett gingen, in sein Sprechzimmer zurück und verbrachte jede freie Minute damit, sich diese Aufzeichnungen anzusehen.
    Irgendwas stimmte da nicht.

34
     
    P olizeichef R. J. Kendall war eigentlich nicht übertrieben streng. Cardinal hatte schon erlebt, wie er Kollegen eine zweite, dritte selbst eine vierte Chance gegeben hatte, denen er selbst längst Abzeichen und Dienstwaffe abgenommen hätte. Aber Kendall war gleichzeitig dermaßen inkonsequent, dass man sich fragen konnte, ob es System hatte, ob diese Inkonsequenz eine Methode darstellte, die Mitarbeiter auf Trab zu halten. Wenn Kendall wütend wurde, brüllte er so laut, dass im ganzen Gebäude die Scheiben wackelten. Dann, eine Woche später, lobte er den Übeltäter für seine gute Arbeit.
    Kendall saß in seinem voluminösen Ledersessel, und das Licht, das durch das Fenster hinter ihm in den Raum fiel, ließ sein schütteres, silbergraues Haar wie einen Heiligenschein schimmern. Er hatte Cardinal nicht gebeten, Platz zu nehmen.
    »Nicht, dass ich das nicht verstehen könnte«, sagte er. »Wenn meine Frau unter vergleichbaren Umständen ums Leben käme – was der Herrgott verhindern möge –, wäre ich wahrscheinlich in Versuchung, genauso zu handeln.«
    »Chief, ich habe

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