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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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hielt.
    Cardinal ließ sie stehen und trat zu Kelly, die gerade von Sally Westlake umarmt wurde. Sally war eine kolossale Frau mit einem kolossalen Herzen und einer der wenigen Menschen, die Cardinal persönlich angerufen und über Catherines Tod benachrichtigt hatte.
    »Ach, John«, sagte sie, während sie sich mit einem Taschentuch die Augen wischte. »Sie wird mir so fehlen. Sie war meine beste Freundin. Meine Inspiration. Das sage ich nicht nur so dahin: Sie hat mich immer wieder angespornt, mir mehr Gedanken über meine Aufnahmen zu machen, mehr zu fotografieren, mehr Zeit in der Dunkelkammer zu verbringen. Sie war einfach die Beste. Und sie war so stolz auf
dich
«, sagte sie zu Kelly.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, warum«, erwiderte Kelly trocken.
    »Weil du genauso bist wie sie, talentiert und mutig. Sich in New York als Künstlerin durchzuschlagen, dazu gehört eine ordentliche Portion Mut, meine Liebe.«
    »Andererseits könnte es sich auch als komplette Zeitverschwendung erweisen.«
    »Ach, sag das nicht!« Einen Augenblick lang rechnete Cardinal fast damit, dass Sally seiner Tochter in die Wange kneifen und ihr das Haar zausen würde.
    Dr. Bell trat zu ihnen, um ihnen noch einmal sein Beileid auszusprechen.
    »Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Cardinal. »Das ist meine Tochter Kelly. Sie ist für ein paar Tage aus New York hier. Dr. Bell war Catherines Therapeut.«
    Kelly lächelte wehmütig. »Keiner von Ihren erfolgreichen Fällen, schätze ich.«
    »Kelly …«
    »Nein, nein, ist schon in Ordnung. Absolut berechtigt. Leider gibt es nicht viel, was ich zu meiner Verteidigung vorbringen könnte. Als Spezialist für manische Depression geht es einem ähnlich wie einem Onkologen – man muss mit einer niedrigen Erfolgsquote rechnen. Aber ich möchte Sie nicht belästigen, ich wollte Ihnen nur mein Beileid aussprechen.«
    Als er weg war, wandte Kelly sich an ihren Vater. »Du hast doch gesagt, Mom hätte nicht besonders deprimiert gewirkt.«
    »Ich weiß. Aber das war nicht das erste Mal, dass sie mich getäuscht hat.«
     
    »Alle sind so nett zu uns«, sagte Kelly, als sie wieder zu Hause waren. Auf dem Esszimmertisch stapelten sich die Kondolenzkarten, und in der Küche türmten sich Plastikbehälter mit Eintöpfen, Reisgerichten, Ratatouilles, Hackbraten und gefüllten Pasteten, sogar ein Schinkenbraten war dabei.
    »Eine schöne Tradition, ein Trauerhaus mit Essen zu versorgen«, sagte Cardinal. »Man fühlt sich so leer, und man weiß, dass man Hunger hat, aber die Vorstellung, sich was zu kochen, ist einfach zu viel. Alles ist zu viel.«
    »Leg dich doch ein bisschen hin«, meinte Kelly, während sie sich ihren Mantel auszog.
    »Nein, dann würde ich mich noch elender fühlen. Ich werde uns was in die Mikrowelle schieben.« Er nahm einen derPlastikbehälter und starrte ihn an, als käme er direkt vom Mars.
    »Es sind noch mehr Karten gekommen«, sagte Kelly, als sie aus der Diele zurückkam.
    »Mach sie doch auf.«
    Cardinal stellte den Behälter in die Mikrowelle und starrte mit leerem Blick auf die Schaltknöpfe. Die einfachsten Verrichtungen erschienen ihm wie unüberwindbare Hürden. Catherine war nicht mehr da. Welchen Sinn hatte es noch zu essen? Zu schlafen? Zu leben?
Du wirst es nicht überleben
, sagte ihm eine innere Stimme.
Du hast es hinter dir
.
    »O mein Gott«, sagte Kelly.
    »Was ist?«
    Kelly hielt eine Karte in einer Hand und hatte sich die andere vor den Mund geschlagen.
    »Was ist das?«, wollte Cardinal wissen. »Zeig mal her.«
    Kelly schüttelte den Kopf und zog die Karte weg.
    »Kelly, zeig her.«
    Er packte sie am Handgelenk und riss ihr die Karte aus der Hand.
    »Wirf sie weg, Dad. Sieh sie dir nicht an. Wirf sie einfach weg.«
    Es war eine aufwendige, teure Karte mit einem Stillleben, das eine Lilie darstellte. Auf der Innenseite war der vorgedruckte Beileidstext mit einem rechteckigen Zettel überklebt worden, auf den jemand mit der Maschine getippt hatte:
Na, wie fühlt sich das an, du Arschloch? Man kann einfach nie wissen, was einen erwartet
.

6
     
    D er Planet Trauer. Unzählige Lichtjahre von der Sonnenwärme entfernt. Wenn es regnet, fallen Tropfen der Trauer, und wenn die Sonne scheint, besteht das Licht aus Partikeln der Trauer. Egal, woher der Wind weht – aus Süden, Osten, Norden oder Westen –, er treibt die Asche der Trauer vor sich her. Trauer brennt einem in den Augen und saugt einem die Luft aus der Lunge. Auf diesem Planeten gibt es weder

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