Eisiges Herz
hören, wie es ihr ging, aber er wollte nicht wehleidig erscheinen.Und Brenda hatte sowieso recht: Sie hätten keine Zukunft miteinander gehabt.
»Mann, ich kann nicht glauben, was ich grade gesehen hab.«
Burke blickte von seinem Sportteil auf. Der Mann am Nebentisch starrte entgeistert aus dem Fenster. Burke drehte sich um, aber da war nur ein Parkplatz, und es war nichts zu sehen.
»Jetzt ist er weg«, sagte der Mann. »Aber ich schwöre Ihnen, da ist grade ein Typ mit ’ner Schrotflinte aus einem Honda Civic gestiegen. Er ist da drüben in den Waschsalon gegangen. Sah ziemlich sauer aus.«
»Sind Sie sicher, dass er eine Schrotflinte bei sich hatte?«
»Mann, ich hab letzte Woche sechs Enten geschossen. Ich werd doch wohl ’ne Doppelflinte erkennen, wenn ich eine seh.«
Burke bekam einen trockenen Mund. Er hatte weder seine Dienstwaffe noch ein Funkgerät bei sich. Er klappte sein Handy auf und rief den diensthabenden Sergeant im Revier an.
»Hey, Mo, hier ist Burke. Ja, ja, ich weiß, hör einfach zu. Angeblich ist gerade ein Mann mit einer Schusswaffe in den Waschsalon neben dem Country Style auf dem Algonquin gegangen. Ich hab ihn nicht gesehen, aber am Nebentisch sitzt ein Jäger, der schwört, der Typ hätte eine Schrotflinte in der Hand gehabt.«
Er hörte, wie der Sergeant die Nachricht per Funk weitergab, und legte auf. Dann ging er hinaus auf den Parkplatz und näherte sich dem Waschsalon. Der Geruch von Laub mischte sich mit dem Geruch von Waschmittel, der aus den Lüftungsrohren des Gebäudes drang. Es war so kalt, dass er eine Gänsehaut bekam. Zumindest glaubte Burke, dass es an der kalten Luft lag.
Er zögerte nicht. Seiner Erfahrung nach war Warten das Schlimmste, was man tun konnte. Solche Situationen entwickelten sich nie zum Besseren hin. Er konnte nur hoffen, dass der Typ entweder eine Spielzeugschrotflinte hatte oder aber auf dem Weg war, seine Jagdwaffe zur Reparatur zu bringen.
Er öffnete die Tür des Waschsalons und trat ein. Ein junger Mann – hager, knochig, mit einem dünnen Hals und trotz seiner höchstens fünfundzwanzig Jahre fast kahl – starrte in das runde Fenster eines Wäschetrockners am Ende der Maschinenreihe, als wäre dort ein Footballspiel zu sehen anstatt übereinanderfallende Wäschestücke. Im vorderen Teil des Ladens saßen drei Frauen auf Plastikstühlen und lasen Zeitschriften oder hatten iPod-Stöpsel in den Ohren. Keine von ihnen blickte auf.
Als Burke auf die andere Seite ging und so tat, als wollte er sich eine Zeitschrift aussuchen, sah er, dass der Mann tatsächlich eine Schrotflinte hatte. Er hielt sie lose in der Hand, so dass die beiden Läufe zu Boden zeigten. Der Mann schien niemanden im Raum zu beachten.
Burke machte ein paar Schritte rückwärts. Vorsichtig berührte er die erste Frau an der Schulter, und als sie verblüfft von ihrer Zeitschrift aufblickte, hob er einen Finger an die Lippen. Er hielt ihr seinen Polizeiausweis hin und zeigte auf die Tür. Die Frau öffnete den Mund, aber Burke bedeutete ihr erneut zu schweigen, woraufhin sie einen kleinen Rucksack vom Boden aufhob und nach draußen verschwand.
Inzwischen waren die anderen beiden Frauen auf ihn aufmerksam geworden. Burke forderte auch sie mit einer Handbewegung auf, den Waschsalon zu verlassen. Sie standen beide auf, doch anstatt Burkes Aufforderung zu folgen, ging eine auf die Trockner zu.
»O mein Gott«, sagte sie. »Der hat ja ein Gewehr.«
Burke fasste sie am Ellbogen und sagte leise: »Gehen Sie nach draußen. Sofort. Und halten Sie sich von den Fenstern fern. Lassen Sie niemanden rein, bis meine Kollegen eintreffen. Und jetzt gehen Sie, gehen Sie.«
Ohne sich noch einmal umzudrehen, rannte die Frau hinaus. Die Tür schlug hinter ihr zu.
Andere Leute im hinteren Teil des Raums hatten bei dem Dröhnen und Rumpeln der Maschinen nichts von all dem mitbekommen. Der Mann mit der Schrotflinte saß zwischen ihnen und Burke. Er schaute Burke an.
»Was wollen Sie?«, fragte er. Er hatte eine unangenehme Stimme, ein entenhaftes Quaken, das eher zu einem älteren Mann gepasst hätte.
Burke lächelte. »Nebenan ist jemand in Panik geraten, als er gesehen hat, dass Sie mit einer Schrotflinte hier reingegangen sind. Da dachte ich mir, ich komm mal rüber und seh nach.«
»Ich werd keinem was tun.«
»Das ist gut. Aber Sie wissen hoffentlich, dass es verboten ist, innerhalb der Stadtgrenzen mit einer offenen Schusswaffe rumzulaufen?«
»Wer sind Sie? Ein Cop?«
Burke
Weitere Kostenlose Bücher