Eisiges Herz
sich auf einem Ein-Mann-Kreuzzug gegen den oder die Unbekannten, die hinter einem möglichen Tötungsdeliktstecken könnten. Was ich unter den gegebenen Umständen sehr gut verstehen kann. Daher schien es mir wahrscheinlich, dass mein Mandant Opfer einer Fehleinschätzung des Detectives wurde – einer unter den gegebenen Umständen verständlichen, aber dennoch einer Fehleinschätzung. Ich hoffe, dass diese eidlichen Aussagen Ihren Verdacht zerstreuen werden.«
»Sie haben noch nicht gesehen, was er mir geschickt hat«, sagte Cardinal und schob die Karten über den Tisch.
Scofield betrachtete sie, ohne sie zu berühren, als könnten sie mit einem Virus behaftet sein.
»Das ist so ziemlich das Gehässigste, was ich je geschrieben gesehen habe«, bemerkte der Anwalt.
Beattie sagte: »Ein Druckerfehler auf den Karten stimmt mit dem auf der Rechnung überein, den John von Desmonds Bestattungsinstitut erhalten hat. Roger macht die Buchführung für Desmond.«
»Wunderbar«, sagte Scofield. »Dummheit und Gehässigkeit in einer Person vereint, wie so oft. In diesem Fall eine so bodenlose Dummheit, dass man meinen könnte, der Schreiber der Karten wollte unbedingt gefasst werden. Aber angesichts dieser eidlichen Aussagen …«
Cardinal stand auf. »Lassen Sie mich mit ihm reden.«
»Im Moment kann ich nicht zulassen, dass Sie ihn befragen. Nicht ohne meine Anwesenheit.«
»Ich habe keine Fragen. Sie können draußen sitzen und zusehen.«
Cardinal führte Beattie und Scofield in eine kleine Küche. Es gab einen Automaten für Getränke und einen für Süßigkeiten, und auf einem Fernsehbildschirm war das Vernehmungszimmer zu sehen.
Dann ließ er Felt aus der Arrestzelle holen und forderte ihn auf, sich an den Verhörtisch zu setzen.
»Mein Anwalt ist hier«, sagte Felt nervös. »Sie können mich nicht verhören, wenn er nicht dabei ist.«
Cardinal legte die Karten in der Reihenfolge, wie sie bei ihm eingetroffen waren, nacheinander auf den Tisch. Sie befanden sich immer noch in den Klarsichthüllen, aufgeschlagen, so dass die gehässigen Zeilen zu lesen waren. Dann legte er die Rechnung des Bestattungsinstituts neben die Karten.
»Ich habe Post von Ihnen bekommen«, sagte Cardinal ruhig.
»O Gott«, sagte Felt.
Er betrachtete erst die Karten, dann die Rechnung.
»O Gott«, sagte er noch einmal. Und dann brach er zu Cardinals Verwunderung in Tränen aus. Anfangs versuchte er, sein Gesicht mit den Händen zu verbergen. Doch dann lehnte er sich zurück und weinte ungehemmt, ohne sich die Mühe zu machen, sich die Tränen von den Wangen zu wischen. Er versuchte, etwas zu sagen, brachte jedoch kein verständliches Wort heraus.
Cardinal wartete.
Schließlich riss Felt ein paar Kleenex aus der Schachtel auf dem Tisch, wischte sich das Gesicht ab und putzte sich die Nase. Er beugte sich vor, stützte die Stirn in eine Hand und schüttelte den Kopf. Sein Atem wurde immer noch durch Schluchzer unterbrochen. Er setzte an zu sprechen, wurde jedoch erneut von Tränen überwältigt. Cardinal wartete weiterhin schweigend ab.
Endlich beruhigte sich Felt. Cardinal reichte ihm einen Pappbecher mit Wasser.
»Es tut mir so leid«, sagte Felt. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid es mir tut.«
»Komisch, wie die Aussicht auf Gefängnis die Reue weckt.«
»Es stimmt, die Vorstellung, wieder ins Gefängnis zu müssen, ist entsetzlich. Aber das ist nicht der Grund, warum mir das alles so leid tut. Diese … diese Worte zu lesen. Mir vorzustellen, wie sie auf Sie gewirkt haben müssen. Sie neben der Rechnung für die Beerdigung Ihrer Frau zu sehen …«
Ihm versagte erneut die Stimme. Noch ein Kleenex. Noch ein Schluck Wasser.
»Ich bin einfach so entsetzt über das, was ich getan habe.« Er sah Cardinal mit flehenden Augen an. »Haben Sie jemals etwas getan – etwas, für das Sie sich fürchterlich schämen? Etwas, von dem Sie hoffen, dass es nie jemand erfährt?« Er zeigte auf die Karten. »Das ist … das ist … Es ist widerwärtig. Wie kann ein Mensch einem anderen Menschen so was antun? Ich habe es getan, und trotzdem kann ich die Frage nicht beantworten: Wie kann ein Mensch einem anderen Menschen so etwas antun?«
Schluchzend schüttelte er den Kopf. Seine Hemdbrust war so nass, als wäre er gerade in einen heftigen Regenschauer geraten.
Cardinal fiel auf, wie recht Dr. Bell gehabt hatte, als er sagte, dass derjenige, der die Karten geschrieben hatte, ein ganz anderer Typ sein musste als derjenige, der
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