Eisiges Herz
Buchhaltungsdienste durch, die er anbietet. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Er macht Steuererklärungen für andere Leute, und das fällt unter Finanzberatung, eine Tätigkeit, die ihm laut Bewährungsauflagen streng verboten ist.«
»Da bin ich anderer Meinung, und das Gericht wird das genauso sehen wie ich. Was er macht, ist keine Finanzberatung, sondern Buchhaltung. Dabei geht es nur um Zahlen. Er hat keinen Zugang zu Bankkonten, keine treuhänderischen Verpflichtungen. Das ist eine anerkannte Dienstleistung und entspricht seinen Fähigkeiten.«
»Das Gericht könnte das anders sehen.«
»John, ich habe es mit einem Richter besprochen, bevor ich Roger grünes Licht gegeben habe. Der Richter hatte kein Problem damit. Und der Staatsanwalt auch nicht, was erklärt, warum er nicht hier ist.«
»Den Staatsanwalt abzubestellen steht Ihnen nicht zu, Wes.«
»Ich versuche nur, Sie vor einem Fehler zu bewahren, John. Glauben Sie mir, Sie tun sich keinen Gefallen, wenn Sie damit vor Gericht gehen. Roger hat sich verändert. Durch seine Straftat hat er alles verloren, und ich meine alles. Nicht nur sein Geld. Sie haben ja gesehen, wo er haust. Seine Frau hat sich, kurz nachdem er ins Gefängnis kam, von ihm getrennt. Zwei seiner Kinder wollen nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er hat seine Freunde verloren, alles.«
»Und Sie meinen, er hat sich verändert.«
»Ich weiß es, und die Bewährungskommission wusste es auch. Er hat im Gefängnis seinen Glauben wiedergefunden – er ist katholisch –, und obwohl ich gewöhnlich auf solche Beteuerungen überhaupt nichts gebe, scheint es in Rogers Fall der Wahrheit zu entsprechen. Er ist sehr engagiert in der Kirchengemeinde.«
Cardinal nahm mehrere unbeschriebene Beileidskarten aus dem Karton.
»Die hab ich neben seinem Laptop gefunden.« Dann öffnete er seine Aktentasche und holte die Karten heraus, die ihm per Post zugeschickt worden waren. »Und die hat er mir geschickt. Sehen Sie sich die an, Wes. Sehen Sie sich die an, und sagen Sie mir, wie sehr er sich verändert hat.«
Beattie nahm die Karten entgegen und betrachtete sie eingehend. Sie steckten aufgeklappt in Klarsichthüllen. Er sah sich jede einzeln von beiden Seiten an und warf sie dann auf den Tisch.
»Sie glauben also, dass Roger Ihnen die geschickt hat?«
»Er hat einen Computer benutzt, um sich nicht mit seiner Handschrift zu verraten, aber in den Großbuchstaben und Oberlängen ist ein Druckerfehler zu sehen. Hiermit können Sie den Fehler gut erkennen.«
Er reichte Beattie ein Vergrößerungsglas. Beattie betrachtete zuerst eine der Karten, dann die Rechnung, die Cardinal vom Bestattungsinstitut erhalten hatte. Schließlich verglich er die Rechnung mit den anderen beiden Karten und klopfte mit dem Zeigefinger darauf.
»Es tut mir leid, dass Sie so was bekommen haben. Muss Sie ziemlich aufgewühlt haben.«
»Aufgewühlt ist kein Ausdruck. Meine Frau ist – Sie wissen, was mit meiner Frau passiert ist. Der Gerichtsmediziner mag vielleicht davon überzeugt sein, dass sie sich selbst das Leben genommen hat, aber ich glaube das nicht. Angenommen, Sie würden jemanden umbringen und es dann aussehen lassen wie Selbstmord. Das könnte Sie doch auf die Idee bringen, solche Karten zu schreiben, oder?«
Ich gerate in Panik, dachte Cardinal. Ich verliere die Kontrolle. Es war ein Fehler gewesen zu erwähnen, dass er einen Mord vermutete, aber er konnte sich nicht mehr beherrschen. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus.
»Vor sechs Jahren hab ich Felt verhaftet, weil er jede Menge Geld unterschlagen hat. Wie Sie bereits erwähnten, hab ich damit nicht nur seinen Ruf ruiniert, sondern auch dafür gesorgt, dass er seine Freunde, seine Frau, seine Kinder verliert. Sein ganzes Leben ist zum Teufel, und dann hat er im Gefängnis fünf Jahre Zeit, um seinen Hass auf mich zu nähren. Er sagt sich, wenn ich ihn nicht erwischt hätte, hätte er ein Riesengeschäft gemacht, wäre reich geworden und hätte das ganze Geld, das er unterschlagen hatte – beziehungsweise
geliehen
, wie er sich ausdrückt – zurückzahlen können. Wie kann er mir das alles heimzahlen? Indem er mich umbringt? Nein, das ist zu einfach, zu direkt, und es wäre auch keine richtige Rache, denn ich würde nicht leiden wie er, der von seiner Frau sitzengelassen wurde. Also tötet er
meine Frau
, um sich an mir zu rächen, und schreibt mir diese Karten, umnoch zusätzlich Salz in meine Wunden zu streuen. Der Typ ist purer Abschaum, Wes. Er
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