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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Catherine ermordet hatte –
falls
sie ermordet worden war. Plötzlich war seine ganze Wut verflogen.
    »Meine Frau hat sich von mir getrennt, nachdem ich mein erstes Jahr abgesessen hatte«, sagte Felt. »Sie hat meine Töchter mitgenommen. Sie haben mich alle nur noch verachtet. Ich dachte, ich hätte meine Schuld endlich akzeptiert. Ich dachte, ich hätte aufgehört, alle anderen für das verantwortlich zu machen, was ich getan habe. Aber dann, letzte Woche, als ich die Buchführung für Desmond machte, hatte ich plötzlich Ihre Akte in der Hand, Ihre Frau betreffend. Und ich weiß gar nicht, was da über mich gekommen ist.«
    »So was nennt man Rachegelüste«, sagte Cardinal.
    »Ja, wahrscheinlich war es das.«
    Felt sah ihn mit seinen geröteten Augen an, doch es lag kein Flehen mehr in seinem Blick, kein Bitten um Verständnis. Er wirkte nur noch erschöpft.
    Mit einem Mal fühlte sich auch Cardinal vollkommen erschöpft. Er wollte nur noch nach Hause, nur noch schlafen, nur noch so weit wie möglich vom Polizeirevier weg sein. Er erhob sich und hielt Felt die Tür auf.
    »Zurück in die Zelle, nehme ich an«, sagte Felt.
    Cardinal schüttelte den Kopf. »Nein, Sie können gehen.«
    »Wirklich?« Felt sah sich im Vernehmungszimmer um, als könnten dort Leute sitzen, die abwarteten, ob er auf den schlechten Scherz hereinfallen würde. »Sie meinen, ich kann nach Hause gehen?«
    Cardinal musste an die schreckliche kleine Küche mit der einzelnen Herdplatte und den schiefen Wänden denken und daran, wie lieblos das Ganze gewirkt hatte. Was für ein Zuhause.
    »Unter einer Bedingung«, sagte er.
    »Ich tue alles, was Sie wollen. Ehrlich. Sagen Sie es mir einfach.«
    »Schreiben Sie mir keine Briefe mehr.«

25
     
    D r. Frederick Bell, der sich als ruhigen, rational denkenden Menschen betrachtete, empfand es als äußerst beunruhigend, dass er in letzter Zeit immer nervöser wurde. Daran war Catherine Cardinal schuld. Es hätte ganz anders enden können, und alle wären glücklich und zufrieden gewesen, aber nein, sie hatte alles vermasselt. Als er seine Hände betrachtete, sah er, dass sie zitterten. Das ging einfach nicht so weiter. Er konnte es sich nicht leisten, die Nerven zu verlieren.
    Dr. Bell drückte die Play-Taste, und sofort ließ das Zittern in seinen Fingern nach. Der DVD-Recorder war ein britischer Arcam, das Neueste, was die Technik zu bieten hatte, ein Gerät mit einer Hundert-Gigabyte-Festplatte, Lesezeichen-Funktion und automatischer Archive-to-Tape-Funktion. Und er war fast geräuschlos – für Therapiesitzungen besonders wichtig.
    Aber das Beste war die digitale Videokamera, eine Canon etwa von der Größe eines Golfballs, die in einer Wandlampe neben den Bücherregalen versteckt war. Das Weitwinkelobjektiv (von Carl Zeiss) erfasste den Therapeuten und den Patienten, ohne das Bild zu verzerren, und das Kugelmikrofon, ein Wunderwerk der Technik, versteckt in dem Kronleuchter von Arts and Crafts über dem Beistelltisch, war etwa so groß wie ein Radiergummi. Die Aufnahmesoftware sorgte auch bei unterschiedlicher Distanz der Sprechenden zum Mikrofon für eine gleichbleibende Tonqualität, für die sich Dr. Bell beim Abspielen immer wieder aufs Neue begeistern konnte.
    Er sah sich die ersten Filme noch einmal an. Anfangs hatte er immer erst mit der Aufnahme begonnen, nachdem die Begrüßungvorbei und die Hemmschwellen überwunden waren, doch inzwischen nahm er die Sitzungen komplett auf.
    Perry Dorn trat ins Bild und setzte sich, sein schütteres Haar schimmerte im Sonnenlicht. Bells Erregung stieg, während er sich die höflichen Begrüßungsworte anhörte. Dann verharrte der Patient auf dem Bildschirm so lange reglos in seinem Sessel, dass Bell einen Augenblick lang dachte, er hätte aus Versehen die Pausentaste gedrückt.
    Jeder Therapeut muss lernen, mit den Pausen in einem Patientengespräch umzugehen. Manche sind der Meinung, der Therapeut sollte einen zögernden Patienten nicht zum Sprechen drängen. Fünf Minuten, zehn Minuten, sollten sie sich ruhig die ganzen fünfzig Minuten lang in Schweigen hüllen. Der Patient sollte derjenige sein, der das Tempo vorgab.
    Andere greifen nach spätestens einer Minute ein, weil sie der Meinung sind, dass Patienten das Schweigen des Therapeuten als feindselig missdeuten könnten, als würde man sie am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Man kann zum Beispiel eine vorsichtige Frage stellen, nichts zu Drängendes, oder man kann kurz zusammenfassen, was

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