Eiskalt in Nippes
dürfte. Nach Absatz 1 des gültigen Bestattungsgesetzes NRW dürfen Tote auf öffentlichen Straßen und Wegen nämlich nur in einem für diesen Transport geeigneten, dicht verschlossenen Behältnis in einem dafür zugelassenen Fahrzeug befördert werden.
Er war sich aber sicher, dass diese klobige Truhe nicht in die üblichen Leichenwagen hineinpassen würde. Über die Leitstelle der Polizei ließ er deswegen dem von Amts wegen bestellten Bestattungsunternehmen ausrichten, dass dessen Mitarbeiter mit einem Transporter anrücken müssten.
„Ach, Frau Dr. Weber“, sprach Westhoven sie an: „Meinen Sie, das ist ein Problem, wenn wir gleich die Gefriertruhe vom Netz nehmen?“
Sie schüttelte den Kopf: „Nein, es ist ja nicht weit von hier bis zum Melatengürtel. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen tiefgefrorenes Fleisch im Supermarkt. Das transportieren Sie doch auch so, maximal in einer mit Aluminium beschichteten Tasche. Und auftauen müssen wir den Toten sowieso, sonst können wir keine Obduktion durchführen“, grinste Doris Weber ihn an.
„Wie lange wird das dauern?“
„Also, vor morgen Nachmittag wird das auf keinen Fall was. Wir müssen den Leichnam schonend auftauen lassen, mindestens aber 30 Stunden. Ansonsten können wir histologische Untersuchungen nahezu vergessen, weil sämtliche Zellwände zerstört werden. Dann wäre zwardie Haut weich, aber die inneren Organe immer noch steinhart. Wir können jedoch schon eine äußere Leichenschau durchführen und auch röntgen. Ich rufe Sie nachher an, dann legen wir eine Uhrzeit für die Untersuchung fest.“
Das Gespräch wurde durch das Klingeln von Westhovens Mobiltelefon unterbrochen. Die Einsatzleitstelle teilte ihm kurz mit, dass der Leichenwagen unterwegs sei.
„Heinz“, wandte Westhoven sich an ihn: „Stell Du bitte schon mal fest, wer hier aktuell wohnt und wie lange, und wer hier von wann bis wann gewohnt hat. Und dann vergleich die Daten schon mal mit den Vermisstenanzeigen. Vielleicht wissen die Kollegen von der Vermisstenstelle etwas.“
„Alles klar, Chef“, antwortete Dember und machte sich an die Arbeit.
„Jochen, Du nimmst hier zusammen mit dem Erkennungsdienst den Tat- bzw. Fundort zu Ende auf und kommst dann zum Präsidium. Ich fahre schon mal vor und räume meine Umzugskisten im Büro aus. In dem Chaos kann ich mich nämlich nicht konzentrieren und vernünftig arbeiten.“
„Okay, Paul. Bis später, ich wollte dir gleich sowieso noch was in eigener Sache erzählen.“
Paul Westhoven verabschiedete sich. Vor dem Haus standen zahlreiche Pressefotografen und Reporter, die wohl auf ein Bild und einige Informationen hofften. Auch Dirk Holm vom Express war noch immer dabei und fotografierte ihn. Ohne einen Kommentar zu geben, stieg Westhoven in den Opel Corsa und fuhr zurück zum Präsidium. In seinem neuen Büro angekommen, telefonierte er mit Anne und erzählte ihr von dem neuen Fall. Sie war enttäuscht, dass er an seinem letzten Urlaubstag alarmiert worden war und es schon wieder später werden würde. Westhoven war niedergeschlagen. Hatte er mit Anne doch schon so oft über seinen Dienst und seine Aufgaben als Leiter der MK 6 gesprochen und stundenlang mit ihr darüber diskutiert.
VIER
Mittlerweile war es kurz nach 12.00 Uhr. „Hallo Paul“, hörte Westhoven Gerbers Stimme. Er war gerade dabei, den letzten Karton auszuräumen. Er ärgerte sich, denn er musste immer an Anne denken, die nun wieder auf ihn sauer sein würde. Und außerdem wäre er sowieso jetzt lieber bei ihr.
„Und? Hat das Leichenfuhrwesen die Gefriertruhe samt Leiche mitgenommen und zur Rechtsmedizin gebracht?“
„Ja, zwischendurch war noch die Diskussion, ob die Feuerwehr das machen soll. Das war aber schnell vom Tisch. Jedenfalls war es schon recht beeindruckend, als die beiden Bestatter mit aller Kraft die Truhe über die schmale Kellertreppe nach oben gewuchtet haben. Trotz der Sackkarre hatten die ein echtes Problem damit. Und wenn ich nicht geistesgegenwärtig die Truhe im letzten Moment mit abgestützt hätte, wäre die mitsamt der Sackkarre die Treppe hinuntergerutscht und hätte womöglich den einen Bestatter unter sich begraben“, grinste Gerber.
Gerber weiter: „Außerdem hat der Erkennungsdienst unterhalb der Gefriertruhe dunkle eingetrocknete Flüssigkeit festgestellt und diese mit Steriltupfern gesichert. Die dunkle Pfütze war mit toten Insekten durchsetzt. Es ist also zu vermuten, dass der Tote zumindest teilweise zersetzt sein
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