Eiskalt in Nippes
gestreckt und liegen auf den Beinen auf. Der gesamte Körper ist mit einer zum Teil kristallinen Eisschicht bedeckt, die langsam schmilzt. Da die Kerntemperatur noch unter 0°C liegt, kann nicht von einer klassischen Leichenstarre gesprochen werden.
Im Nasen- und Mundbereich sind schwärzliche Antragungen und Verfärbungen zu erkennen. Der dichte Vollbart ist gepflegt. Der Kopf des etwa 35-jährigen Mannes ist schütter behaart und mit relativ langem braunem Haar bestanden. Die Scheitelglatze ist ausgeprägt.
Im Bereich des Hinterkopfes ist eine Zertrümmerung des Schädeldachs deutlich zu erkennen, die angrenzende Haut zeigt zahlreiche Verletzungen.
Anmerkung: Diese Stelle wird später noch rasiert werden müssen, um den Befund fotografisch zu sichern.
Die Verletzungen sind streifenförmige Risse von unterschiedlicher Länge. Eine der Verletzungen liegt im hinteren Drittel der Scheitelschuppe und reicht mit seinen Ausläufern bei einer Länge von 8 cm weit nach vorn. Hier ist auch eine Wundhöhle erkennbar, der tiefer liegende Schädelknochen ist in multiple Bruchstücke zerlegt.
Am linken Auge ist eine intensive violettfarbene Schwellung, über der Augenbraue findet sich eine Rissverletzung mit unregelmäßiger Wundrandkonturierung.
Weitere Verletzungsspuren sind zurzeit nicht erkennbar, da aufgrund des gefrorenen Zustandes eine Entkleidung der Leiche nicht möglich ist“, beendete sie die erste Befundaufnahme und ging zum Telefon.
Paul Westhoven räumte gerade ältere Handakten, die er eventuell noch für ausstehende Gerichtstermine benötigen würde, in den Wandschrank seines Büros, als das Telefon läutete. Er blickte auf das Display und sah, dass der Anruf direkt aus dem Sektionsbereich der Gerichtsmedizin kam.
„Hallo, Frau Dr. Weber“, meldete sich Westhoven.
„Hallo, Herr Westhoven. Nur eine kurze Info. Soweit ich das bis jetzt beurteilen kann, wurde dem ca. 35-40-jährigen Mann der Schädel eingeschlagen, bevor er als Tiefkühlprodukt ohne Angabe der Haltbarkeit in der Truhe landete“, sagte sie kühl.
„Danke. Wann können Sie die Leiche aus der Truhe nehmen und frühestens den Termin für die Obduktion ansetzen?“
„Sagen wir morgen um 15.00 Uhr, aber ich kann nichts versprechen, vielleicht müssen wir weiter verschieben.“
„Hervorragend. Ich gebe Herrn Staatsanwalt Asmus Bescheid, wir sind dann morgen um 15.00 Uhr bei Ihnen.“
Paul Westhoven hatte gerade das Telefonat mit Staatsanwaltschaft Asmus beendet, als Heinz Dember hereinkam.
„Hallo, Heinz. Gut, dass du schon zurück bist. Ich gehe davon aus, dass du nichts dagegen hast, morgen um 15.00 Uhr zur Obduktion mitzukommen?“, grinste Westhoven ihn an.
„Kein Problem“, schluckte er seinen Kommentar herunter, hatte Westhoven doch noch immer nicht mitbekommen, dass es zwischen ihm und Doris Weber aus war. Während des letzten Falls der MK 6 vor Westhovens Urlaub in der Toskana, den sogenannten Karnevalsmorden, hatte es eine heftige Affäre zwischen ihm und der Gerichtsmedizinerin Dr. Doris Weber gegeben, die vor allem durch ständigen Streit und heiße Versöhnungen gekennzeichnet war. 5 Im Augenblick ging man sich wieder aus dem Weg.
„Ich habe bis jetzt alle zur Verfügung stehenden Daten über die Anschrift in der Viersener Straße zusammengetragen“, berichtete Dember. „Ein ganz schönes Tohuwabohu. Du kannst dir nicht vorstellen, wie oft die Leute da ein- und ausgezogen sind.“
„Von wann ist das Haus?“
„Baujahr 1905.“
„Ich nehme an, nicht immer der gleiche Besitzer?“
„Wohl kaum, aber das kann ich jetzt noch nicht beantworten. Die Anfrage beim Grundbuchamt läuft. Weiberfastnacht habe ich bei der großen Fete hier im Polizeipräsidium eine Rechtspflegerin vom Amtsgericht kennengelernt. Die hatte Beine, die hörten gar nicht mehr auf, und nicht nur das. Genau die sitzt nämlich in der Grundbuchabteilung. Ich habe also vorhin dort angerufen und meinen Charme spielen lassen. Sie wird sich Mühe geben.“
„Ts ts ts, du bist unverbesserlich“, schaute Westhoven ihn an.
„Gehst du mit in die Kantine?“
„Was gibt’s denn Leckeres im Gourmettempel?“
„Keine Ahnung.“
Westhoven und Dember machten sich auf den Weg zur Kantine. Umvom C-Block zum Foyer im A-Trakt zu gelangen, verließen sie das Gebäude, gingen am Präsidium vorbei bis zum Haupteingang, wo man vom Foyer zur Kantine gelangte. Die Kantine war für das allgemeine Publikum geöffnet und galt als Geheimtipp unter den Kalker
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