Eiskalt in Nippes
Offensichtlich war der Witwer einsam und froh, dass jemand an seine Tür geklopft hatte. Für ein längeres belangloses Gespräch hatte Dember jetzt aber keine Zeit.
Krogmann hatte weiter hinten auf dem Flur angefangen. Als ihr die Tür geöffnet wurde, schlug ihr deutlicher Alkoholgeruch entgegen, den sowohl die Wohnung als auch sein Bewohner verströmten. Es war eine deutliche Mischung aus schalem Bier und billigem Fusel. Ein etwa 70-jähriger Mann, unrasiert, in einem fleckigen, weißen Trainingsanzug, mit glasigen Augen und geröteten Wangen fragte, was sie denn wolle.
Sie erklärte ihm, dass sie von der Mordkommission sei und einige Fragen habe. Der Mann winkte aber ab und sagte sofort, dass er sowieso nichts mitbekommen haben konnte. Daran hatte Krogmann keinen Zweifel.
Auch bei den anderen Apartments waren die Auskünfte dürftig. Niemand hatte etwas von dem Einbruch bemerkt, aber alle waren erschüttert, dass Erna Schmitz tot war. Die Angst vor dem Tod war hier allgegenwärtig, darüber wollte niemand reden.
Vor Verlassen des Seniorenzentrums ließ Toni Krogmann eine weitere Durchschrift des Durchsuchungsprotokolls beim Leiter des Hauses zurück. Als sie an Frau Magliaso vorbeikam, winkte ihr diese zu: „Herr Nußscher hat veranlasst, dass die Tür zum Apartment heute noch repariert wird. Und wenn Sie meinen Sohn im Präsidium sehen, bestellen Sie ihm bitte einen schönen Gruß.“
Vor dem Eingang saß eine Gruppe von Senioren um einen Holztisch. Daneben parkten mehrere Rollatoren. Die Unterhaltung war so lebhaft, dass sie die beiden von der MK 6, die an ihnen vorbeigingen, gar nichtbemerkten. Ihr einziges Gesprächsthema war heute der Tod von Erna Schmitz und der Einbruch in ihrem Apartment.
FÜNFUNDZWANZIG
Dember und Krogmann bestiegen ihren Dienstwagen und fuhren Richtung Morsbach. Kurz vor der Höhenstraße brachte sie ein Straßenschild zum Schmunzeln. Neben dem Ortsschild „Rom“ stand ein Schild mit der Aufschrift „Zum Skigebiet“.
„Das ist die nächste Wette beim Kommissariatskegeln: Hat Rom einen Strand oder ein Skigebiet? Einen Strand gibt es am Tiber nämlich nicht. Aber wie wir sehen, hat Rom ein Skigebiet. Das wird bestimmt ein paar Bier bringen“, feixte Dember.
Als sich die beiden auf der A4 Köln näherten, stellte Toni Krogmann fest, dass der Tank des Passats fast leer war.
„Damit kommen wir nicht mehr bis zum Präsidium. Wir müssen die nächste Tankstelle anfahren. Frag mal bitte das Navi.“
„Fahr in Overath runter, da ist eine Shell ganz in der Nähe der Ausfahrt.“
Dort angekommen, stieg Dember aus und tankte. Er achtete darauf, die richtige Zapfpistole zu nehmen, denn allzu oft hatten die Kollegen im Lande schon den falschen Treibstoff getankt. Diese Reparaturen waren aufwändig und teuer, und nicht selten wurden die Kollegen zur Kasse gebeten. Da war man schnell um ein paar tausend Euro ärmer.
„Toni, gib mir mal bitte das Fahrtenbuch und die Tankkarte. Ach, und den Kilometerstand brauche ich auch.“
„14.137, kannst du dir das merken?“
„Aber sicher dat“, klang er selbstgefällig. „Ich bin doch noch nicht pensionsreif.“
An der Kasse gab Dember die PIN und den Kilometerstand ein und erhielt dann die Tankkarte zurück. Nachdenklich betrachtete er die Karte.
Am Fahrzeug angekommen stieg er nicht ein, sondern ging an die Fahrerseite zu Toni Krogmann:
„Toni, kannst du mir mal die Kartenecke geben, welche die Betzdorfer im Apartment gefunden haben?“
Toni gab ihm die kleine Plastiktüte. Dember betrachtete die Ecke, dann die Tankkarte und legte dann beides aufeinander.
„Mich laust der Affe. Ich habe vorhin die ganze Zeit gedacht, dass ich das Eckchen irgendwo schon mal gesehen habe. Bingo, schau mal. Das ist eindeutig die Ecke einer Euroshell-Tankkarte. Die gleiche, die wir auch in der Behörde haben. Wir sind doch nicht umsonst gefahren. Wenn das keine fette Spur ist.“
Als die beiden Ermittler der MK 6 im Polizeipräsidium eintrafen, war es ungefähr 16.00 Uhr. Der größte Teil der Beschäftigten im Polizeipräsidium beendete den Dienst. Auf dem Flur im ersten Stockwerk des C-Trakts merkte man jedoch nichts davon. Hier endete der Arbeitstag meist erheblich später. Vor allem die Mitarbeiter in den verschiedenen Mordkommissionen kannten keinen geregelten Feierabend.
Paul Westhoven saß noch an seinem Schreibtisch und schrieb einen Vermerk zum Ablauf der Pressekonferenz.
„Hallo Paul, noch fleißig?“, war die mehr rhetorische
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