Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
hatte. Mädchen gab es reichlich und billig, hatte der alte Kerl behauptet. Winters betrachtete die Frauen, die vorüberstelzten. Der Alte hatte Recht. Die Strichmädchen von Chicago waren eindeutig spektakulärer als diejenigen, die ihre Dienste in Asheville anboten. Und zahlreicher. Zahlreicher und besser bestückt … im Hinblick auf gewisse körperliche Attribute. Allein auf dieser Straße wurde genug Silikon spazieren geführt, um jede flache Brust in Asheville damit aufzupumpen. Winters lachte über seinen eigenen Witz und spürte das beruhigende Zwicken seines falschen Schnurrbarts auf der Oberlippe. Nichts konnte verrutschen. Gut so.
Er wartete, hielt etwa zwei Stunden lang die Augen auf, bis er die Frau sah, die er wollte. Sie war mittelgroß, hatte natürliche Titten und ein bäuerlich wirkendes, gesundes Gesicht unter den vierzehn Schichten von Make-up. Sie hatte schulterlanges, blond gefärbtes Haar, an dem sie derzeit von einem gefährlich aussehenden Schwarzen in violetten Hosen und mit sechs Ohrringen in einem Ohr die Straße entlanggezerrt wurde. Für einen empörten Vater hatte er die falsche Hautfarbe, daher vermutete Winters, dass es sich um den Zuhälter des Mädchens handelte. Der Typ in den violetten Hosen riss die Frau an den Haaren zu sich herum und brüllte ihr etwas ins Gesicht, was ihre Augen glasig vor Angst werden ließ. Er holte aus und schlug ihr so hart ins Gesicht, dass ihr Kopf zur Seite flog. Über den Straßenlärm hinweg und durch Winters’ geschlossenes Autofenster war ihr Schmerzensschrei zu hören, doch kein Mensch gebot dem Zuhälter Einhalt. Es interessierte niemanden.
Großartig.
Der Typ mit den violetten Hosen ließ ihr Haar los, stieß sie aufs Pflaster und versetzte ihr einen heftigen Tritt in die Rippen. Sie rollte sich schutzsuchend zusammen, und er trat erneut zu.
Der Mann hatte Stil.
Winters stieg aus dem Wagen und hielt den Violetten zurück.
»Was willst du?«, fragte der Mann und keuchte unter der Anstrengung, seiner Dirne die Flötentöne beizubringen.
»Die da.« Winters deutete auf das schluchzende Mädchen. »Für die ganze Nacht. Sagen Sie mir Ihren Preis.«
Asheville
Mittwoch, 14. März, 3:00 Uhr
A ls Ross zu Sue Ann Broughton fuhr und ihr den Durchsuchungsbefehl vorlegte, wurde sie kreidebleich, trat beiseite und rang hilflos die Hände. Die Beamten staubten auf der Suche nach Fingerabdrücken alles ein, durchsuchten Schubladen, Schränke, Vitrinen, Matratzen.
Sie fanden drei nicht registrierte Handfeuerwaffen mit dazu gehöriger Munition, vier Theaterkataloge, in denen Perücken und gesichtsverändernde Utensilien angeboten wurden, einen Gürtel, dessen Schnalle rasiermesserscharf geschliffen war, und ein Paar Stiefel auf der hinteren Veranda, überzogen mit etwas, das wie verkrustetes Erbrochenes aussah.
»Was ist das, Miss Broughton?«, fragte Steven und wies mit seinem Bleistift auf die Stiefel.
Sue Ann zögerte und rang die Hände.
»Wir wissen, dass die Stiefel Rob gehören«, sagte Toni sanft. »Ich habe ihn selbst darin gesehen. Oft. Warum sind sie mit Erbrochenem verschmiert?«
Sue Ann Broughton zitterte. »Ähm, Rob hat mich gebeten, sie sauber zu machen.«
»Wann war das?«, fragte Toni.
»Ähm, Montagmorgen.«
Steven verzog das Gesicht und warf den Bleistift in eine Plastiktüte für Beweismittel. Mit dem Ding würde er nie im Leben wieder schreiben. »Und warum haben Sie sie nicht gereinigt?«, fragte Steven unbeteiligt.
»Ähm, ich konnte nicht.«
»Warum nicht, Sue Ann?«, fragte Toni leise drängend.
»Ich hab’s versucht, ehrlich, aber mir ist dabei schlecht geworden. Wenn ich den Dingern zu nahe kam, wurde mir schlecht.«
Steven sah, wie Tonis Blick vielsagend zu Sue Anns Körpermitte wanderte, auf die die Frau ihre zitternde Hand gelegt hatte. »Im wievielten Monat sind Sie, Miss Broughton?«
Sue Ann schien vor ihren Augen in sich zusammenzufallen. »I-im zweiten.« Tränen liefen ihr über die Wangen, und sie schlug die Hände vors Gesicht.
»Weiß Detective Winters davon?«, fragte Steven so sanft, wie es ihm möglich war.
»Nein.« Sie schniefte und wischte sich mit den Handrücken das Gesicht ab. »Ich hab versucht, es ihm zu sagen. Aber er … er wollte kein Kind mehr.« Behutsam betastete Sue Ann ihr Jochbein, und Steven erinnerte sich klar und deutlich an die verblassenden Reste eines Blutergusses, die Toni und er an dem Abend, als sie Rob suchten, in ihrem Gesicht bemerkt hatten. Steven verspürte den
Weitere Kostenlose Bücher