Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
ab, die er noch im Kopf hatte. »Jolley hat Winters etwa eine Stunde, nachdem ich aus Sevier County zurück war, angerufen.« Er blickte zu Toni auf, und sie nickte. »Und dann wieder eine Stunde, nachdem Sie mich haben wissen lassen, dass Sie seinen bezahlten Urlaub aufgehoben haben. Jolley hat Winters verdammt gut auf dem Laufenden gehalten.« Er senkte den Blick wieder auf die Liste. »Aber Winters war in … Chicago, als er den Anruf erhielt.« Verdutzt hob er den Kopf. »Er ist in Chicago?«
Toni nickte. »Soweit ich weiß, ja. Aber ich habe keine Ahnung, warum.«
»Sie haben doch die Polizei in Chicago verständigt?«
»Heute Morgen gegen zwei Uhr.«
»Warum haben Sie mich nicht angerufen?«, wollte Steven wissen.
»Weil ich wusste, dass Sie todmüde von der Fahrt sein würden. Ich dachte, ich lasse Sie lieber schlafen.«
Steven furchte die Stirn. »Wo ist Jolley jetzt?«
Toni fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Im Vernehmungsraum 1. Steven, es gibt noch mehr. Das wird Ihnen nicht gefallen. Schauen Sie mal nach, mit wem er am letzten Sonnabend telefoniert hat.«
Er tat es … und die Angst griff wie eine kalte Faust nach seinem Herzen. Das Blut wollte ihm in den Adern gefrieren. »Oh Gott«, seufzte er, sah auf und begegnete Tonis Blick. »Er war in Raleigh. Er war in der Nähe meiner Kinder.« Steven stand abrupt auf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich muss meine Tante Helen anrufen.«
»Das habe ich schon erledigt«, beruhigte Toni ihn. »Und ich habe Lennie Farrell angerufen. Er lässt Ihr Haus rund um die Uhr überwachen, Ihre Kinder auch, von der Schule bis nach Hause. Er sagt, Sie können den Auftrag niederlegen, wenn Sie lieber zu Hause sein möchten.«
Steven ließ sich zurück auf seinen Stuhl fallen und presste die Fingerspitzen auf die Augen. »Vierundzwanzig Stunden?«
»Ja.«
»Ich rufe meine Tante an und frage sie, was ich tun soll. Zunächst einmal will ich herausfinden, was Winters bis nach Chicago getrieben hat. Könnten Sie Lambert bitten, mir bei der Überprüfung der Fluggesellschaften zu helfen? Nur für den Fall, dass der Bursche in großem Stil zu reisen beliebt.«
»Was hat Ihre Tante gesagt?«
Steven hob den Blick von seinem Laptop. In der vergleichsweise stillen Schwüle des kleinen Konferenzzimmers hatte er gerade seine E-Mails überprüft. Toni stand mit besorgtem Blick an der Tür. »Nichts anderes als das, was ich erwartet habe«, antwortete er. »Dass es ihr und den Jungen gut gehe und dass ich hier mehr zur Ergreifung des Scheißkerls beitragen könnte, als wenn ich Gott weiß wie lange zu Hause herumsitze.«
Toni lächelte. »Sie hat Scheißkerl gesagt?«
Steven lächelte leicht. »Nein, die Bezeichnung stammt von mir. Tante Helen hat ein Wort benutzt, das ich lieber nicht wiederholen möchte. Wissen Sie, ich bin froh, dass Sie hier sind. Ich möchte Ihnen etwas zeigen. Wussten Sie, dass es eine Website über Schutzheilige gibt?«
Toni schüttelte den Kopf. »Nein, aber es wundert mich nicht.«
Er klickte zweimal mit der Maus, den Blick auf den Monitor geheftet, und sah dann Toni an.
»Die heilige Rita von Cascia«, las sie vor. »Die Schutzpatronin der Verzweifelten. Wie Sie schon sagten.«
»Lesen Sie ihre Biografie.«
Toni las und hob dann stirnrunzelnd den Blick. »Es passt alles zusammen. Susan Crenshaw schenkt Mary Grace eine Keramik der Schutzpatronin der Verzweifelten. Diese Heilige war, wie Mary Grace, eine misshandelte Ehefrau. Ritas Mann schlug sie, er starb, Rita ging ins Kloster und nahm den Schleier. Susan wusste das.«
»Toni? Thatcher?«
Steven drehte sich um und sah Detective Lambert an der Tür stehen, eine Mappe in der Hand. Das hereinströmende Sonnenlicht ließ sein Haar aufleuchten wie einen Heiligenschein. Steven musste sich immer noch innerlich dagegen wehren, Jonathan Lambert einfach nur für einen hübschen Jungen zu halten. Doch es gelang ihm immer besser. Toni Ross betrachtete Lambert als ihre rechte Hand, und Steven hatte inzwischen große Achtung vor ihr.
»Was haben Sie da, Jonathan?«, fragte sie. »Bitte sagen Sie, dass Sie gute Nachrichten bringen. So etwas brauche ich heute dringend.«
Lambert trat in den kleinen Konferenzraum, sein durchtrainierter Körper ließ es gleich noch viel schmaler erscheinen.
»Ich habe Robs Festplatte und den Zwischenspeicher seiner Internetdateien überprüft.« Mit einem zufriedenen Lächeln hob er die Mappe. »Höchst interessant.«
»Und?«, fragte Steven.
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