Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
›Stellenangebote‹ probiert, aber das hat ihm natürlich nichts gebracht. Vielleicht hat er nach Namen von Angestellten des Krankenhauses gesucht.«
Steven fuhr sich mit der Zunge über die Zähne. »Susan Crenshaw.«
Lambert stand auf. »Ich habe lediglich geraten.«
»Und zwar verdammt gut«, stellte Toni fest. »Ich habe das Gefühl, wir rücken dem Mistkerl allmählich auf den Pelz.«
Steven ließ sich schwer auf seinen Stuhl fallen. »Wenn er in Chicago ist, dann aus dem Grund, weil Mary Grace dort lebt oder jemand, der weiß, wo sie steckt.«
Lambert seufzte. »Kaum zu glauben, dass Rob sich so viel Mühe gibt, sie zu finden.« Er schüttelte den Kopf. »Mein Gott. Er hat diese Krankenschwester umgebracht.«
»Macht«, sagte Steven leise. »Menschen unter seiner Kontrolle zu haben, das ist es, was er braucht. Sie hat ihn überlistet, und damit kann er nicht leben. Und wenn er sie findet, hat er auch den Jungen. Sue Ann sagt, er sei besessen von dem Jungen, so sehr, dass er keine weiteren Kinder haben will. Wir müssen ihn finden.«
Toni straffte die Schultern. »Bevor er sie findet.«
Chicago
Donnerstag, 15. März, 3:00 Uhr
Max saß allein in der ohrenbetäubenden Stille seines Büros und starrte auf den Zettel.
Die ganze Woche über hatte sie ihm Kaffee gekocht, seine Post sortiert und seine Briefe getippt. Sie hatte ihn mit einem »Guten Morgen« begrüßt, sich mit einem »Gute Nacht« verabschiedet, war in jeder Hinsicht die perfekte Sekretärin gewesen. Abgesehen davon, dass sie nicht ein einziges Mal gelächelt hatte. Und schon gar nicht gelacht. Sie hatte sich von seinem Büro fern gehalten, war nach jenem schrecklichen Treffen nur ein einziges Mal hereingekommen, um seine Papiere aufzusammeln und Ordnung auf seinem Schreibtisch zu schaffen.
Er hatte sie dabei ertappt, wie sie ihn mit einem so traurigen Blick ansah, dass es ihm das Herz zerriss. Dann aber hatte es herausfordernd in ihren blauen Augen aufgeblitzt, und sie hatte sich abgewandt. Er wusste, worauf sie wartete. Doch die Verbitterung war ein treuer, wenn auch verhasster Zeitgenosse geworden. Zwölf Jahre Schmerz waren nicht so einfach auszulöschen. Er hatte es versucht. Herrgott noch mal, und wie er es versucht hatte.
Am Abend nach ihrem heftigen Streit war er, nachdem er sie nach Hause gebracht hatte, auf der Zufahrt zu seinem Haus stehen geblieben und hatte den Pfahl angestarrt, an dem einst das Rückbrett befestigt gewesen war, vor dem er als Kind Basketball gespielt hatte. Er hatte da gestanden und auf den Widerhall der Bälle gelauscht, auf das Ächzen und die Jubelschreie. Auf das Zischen des Netzes, wenn der Ball hindurchglitt. Alles nur Erinnerungen. Alles lange vorbei. Er war da gestanden und hatte vor sich hin gestarrt, bis David ihn schließlich ins Haus zog.
Erst letzte Nacht war er mühsam auf den Dachboden geklettert und hatte die Schachtel mit den Zeitungsausschnitten gesucht, die seine Großmutter mit religiösem Eifer gesammelt hatte. Drei oder vier Artikel hatte er gelesen, als der Schmerz wieder zuschlug, ihn mit aller Wucht traf.
Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und versuchte, den Kopfschmerz fortzuwischen, allerdings ohne Erfolg. Seit Tagen hatte er nicht mehr ruhig atmen können, hatte er keine Nacht mehr durchschlafen können, hatte er nicht die Energie, sich um irgendetwas zu kümmern. Und obwohl die Märzsonne hinter ihm strahlend hell schien, war die Welt für ihn grau. David redete nicht mit ihm, und Ma drängte ihn unablässig, sich bei Caroline zu entschuldigen.
Am schlimmsten aber waren die Worte, die ihm ständig im Kopf umhergingen, vor allem Carolines Worte. Sie brauchte einen Mann, auf den sie sich verlassen konnte. Er wäre so verzweifelt gern dieser Mann gewesen. Für sie. Für sich selbst. Aber es tat immer noch weh. Der Verlust seiner Flügel schmerzte noch immer so heftig, dass es ihn innerlich zerbrach.
Und jetzt dies. Er hatte nicht übel Lust, den Zettel zu zerreißen, dennoch starrte er nur auf ihre hastig gekritzelten Worte.
Entschuldige. Ich wollte dich nicht noch tiefer verletzen, als du dich selbst ohnehin schon verletzt hast. Morgen früh liegt meine Kündigung auf deinem Schreibtisch.
Keine Unterschrift und schon gar kein »In Liebe, Caroline«.
Mit einem Seufzer der Kapitulation griff er nach dem Telefon.
Chicago
Donnerstag, 15. März, 16:00 Uhr
Winters lag im Hotel auf der klumpigen Matratze und rauchte eine Zigarette, als das Telefon
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