Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
seinen Oberschenkel. »Inwiefern?«
Sie wollte das Kinn in die Hand stützen, verfehlte sie jedoch. Sie versuchte es noch einmal, mit kaum mehr Erfolg. »Vor allem hasst er seinen Vater, weil er seine Mutter geschlagen hat. Der Schweinehund hat ihr offenbar ein paar schlimme Narben zugefügt, die Caroline niemanden sehen lässt. Tom hasst ihn abgrundtief. Einmal hat er mir sogar erzählt, er wünschte sich, jemand würde seinen Vater umbringen, damit endlich Ruhe wäre.« Sie neigte sich ihm zu und flüsterte laut: »Sein Vater arbeitet irgendwo als Bulle. Das soll ich eigentlich nicht wissen.« Sie beugte sich zurück, schlug die Hand vor den Mund, und in ihre Augen trat ein Ausdruck der Bestürzung, den man nur bei wirklich Betrunkenen beobachten konnte. »Das hätte ich nicht sagen dürfen.«
Winters zwang sich zu einem Lächeln. »Keine Angst. Bei mir ist Ihr Geheimnis gut aufgehoben.« Innerlich verfluchte er Mary Grace auf bitterste Art und Weise. Sie hatte seinem Sohn so viel von ihrem Gift eingeträufelt, dass Robbie ihn hasste. Ihm den Tod wünschte.
Dafür sollte sie teuer bezahlen.
Seine Gedanken jagten. Wenn Robbie ihn hasste, würde der Junge wohl nicht freiwillig mit ihm kommen. Er stellte sich die Größe des Anzugs und der Schuhe vor, die er in Robbies Schrank gesehen hatte. Seinen Sohn zu zwingen, ihn zu begleiten, dürfte nicht so einfach sein. Er war dazu in der Lage, aber der Junge würde eine Szene machen und, sobald er konnte, zurück zu seiner Schlampe von Mutter laufen. Er musste ihn ein für alle Mal von ihrem Schürzenzipfel lösen.
»Und, äh, wo ist Ihr Freund jetzt? Vielleicht kann er Ihnen helfen, mit seiner Mutter wieder ins Reine zu kommen.«
»Wenn er zurückkommt, vielleicht. Er macht einen Campingausflug.« Sie rümpfte die Nase. »Sie zelten.«
Winters setzte ein Lächeln auf. »Männersache.«
»Ja. Aber Mittwoch oder Donnerstag dürfte er zurück sein. Hoffentlich habe ich mich mit Caroline versöhnt, bevor er zurück ist. Tom wird es mir auch übel nehmen, dass ich seine Mutter geschlagen habe.«
»Mittwoch?«, fragte er. Was sie sonst noch gesagt hatte, war gar nicht zu ihm durchgedrungen. »Wegen eines Campingausflugs lässt seine Mutter ihn die Schule schwänzen? Was für eine Mutter ist sie überhaupt?«
Evie zuckte die Achseln, ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Eine Mutter, wie ich sie mir immer gewünscht habe. Er hat Frühjahrsferien. Sie hat ihm erst die Erlaubnis gegeben, als er seine Mathenote verbessert hatte. Sie ist die beste Mutter, die ich kenne. Und die beste Freundin.« Die Tränen rannen ihr über die Wangen. »Ich kann es nicht fassen, dass ich sie so angegriffen habe, Mike. Ich kann nicht fassen, dass ich tatsächlich geglaubt habe, Max würde sich für mich interessieren. Männer können mich nicht ausstehen. Gott, am liebsten wäre ich tot.«
Nur mit äußerster Mühe konnte Winters sein Lächeln bewahren. Er tätschelte ihre Hand. »Sie sind ein hübsches Mädchen. Sie finden bestimmt schon bald einen anderen Mann.«
Sie schniefte. »Meinen Sie?«
Nach fünf Bieren war sie vertrauensselig geworden. Noch ein paar mehr, und sie wäre Wachs in seinen Händen. Im Grunde sah sie wirklich nicht übel aus, und womöglich brauchte er sie, damit sie ihm half, Robbie herumzukriegen. Er winkte der Kellnerin. »Noch eine Runde, bitte.«
Chicago
Freitag, 16. März, 23:00 Uhr
»Bleib hier«, flüsterte Max, zog sie enger an sich und spürte ihren runden Po an seinen Hüften. Das kurze Zucken in seinen Lenden legte sich fast unverzüglich wieder. Er war durch und durch befriedigt, glücklicher, als er jemals im Leben gewesen war. Sie war hier, in seinem Bett, ihr Kopf auf seinem Kissen, und jedes Mal, wenn sie sich bewegte, stieg ihm ein Hauch von ihrem Duft in die Nase. Gemeinsam waren sie nach diesem überwältigenden Erlebnis auf dem Sofa die Treppe hinaufgestiegen, hatten sich durch die Dunkelheit getastet und waren in sein Bett getaumelt. Und dann hatten sie sich noch einmal geliebt.
So unglaublich es schien, war das zweite Mal doch noch bemerkenswerter als das erste Mal.
Er stützte sich auf einen Ellbogen und betrachtete ihr Profil, das im trüben Licht, das vom Flur her ins Zimmer fiel, kaum zu erkennen war. Sie hatte die Augen geschlossen, doch auf ihren Lippen lag ein Lächeln. Er strich mit dem Mund über ihre Schläfe. »Bleib heute Nacht bei mir«, bat er noch einmal, und sie seufzte.
»Ja.«
Sein Herz kam zur Ruhe, als er sich in
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