Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
schon. Aber Rob Winters hatte seine Frau schon seit Jahren als depressiv und melancholisch hingestellt. Ein paar Jahre zuvor hatte sie eine Fehlgeburt erlitten, und er behauptete, seitdem wäre sie nicht mehr dieselbe gewesen. Machte Andeutungen, dass sie manchmal trank. Zwar war Alkohol im Haus, aber in ihrem Blut war nicht die Spur von Alkohol nachzuweisen. Die Ärzte sagten, sie hätte schon zu lange auf dem Kellerboden gelegen, um eindeutig feststellen zu können, ob sie getrunken hatte oder nicht.« Farrell zuckte die Achseln. »Auch da hätten Sie ihn sehen sollen. Er war völlig fertig wegen ihrer Verletzung. Hat sie jeden Tag im Krankenhaus besucht.«
»Wer war der Anwalt?«
»Ein junger Mann namens Smith.« Farrell zog eine Grimasse. »John Smith, ob Sie es glauben oder nicht. Versuchen Sie, ihn zu finden, falls Sie sich selbst gern quälen. Er hat die Stadt verlassen.«
»Wie praktisch«, bemerkte Steven trocken. »Und der Richter?«
»Der Richter wollte nähere Informationen, bevor er den Antrag unterschrieb. Als sie dann die Treppe hinunterfiel, gab es keinen Hinweis darauf, dass Rob in der Nähe gewesen war, und Mary Grace war schon häufiger gestürzt.«
»War Winters im Dienst?«
»Ja. Aber der Antrag und der Treppensturz fanden zwei Jahre vor ihrem Verschwinden statt. Später hat niemand mehr sein Alibi für die betreffende Nacht in Frage gestellt.«
»Ich werde es tun«, schwor Steven leise.
»Gut.« Farrell wartete, bis Steven die Tür erreicht hatte, bevor er ihn erneut ansprach. »Thatcher?«
»Ja?«, erwiderte Steven.
»Lochen Sie den Scheißkerl für möglichst lange Zeit ein, ja?«
Sevier County, Tennessee
Mittwoch, 7. März, 15:30 Uhr
Steven behandelte die rissige Keramikskulptur so behutsam wie eine Ming-Vase. Die Skulptur war im ursprünglichen Protokoll nicht aufgeführt, weil Russell Vandalia, wie er erklärte, sie erst später gefunden hatte, als er den Boden des Fahrzeugs vom Schlamm befreit hatte. Vandalia stand in der Nähe und spie in seine Kaffeebüchse. Steven war überzeugt davon, dass der Mann glaubte, sich diskret zu verhalten. McCoy stand neben Vandalia und hatte das Gesicht angewidert verzogen.
»Sieht aus wie die Jungfrau Maria«, bemerkte Vandalia hilfreich. »Aber auf dem Schildchen steht ein anderer Name.«
Steven drehte die Skulptur um und blinzelte. »Hl. Rita von Cascia«, las er.
»Wer ist das?«, fragte McCoy. »Ich bin nicht katholisch.«
»Die heilige Rita von Cascia ist die Schutzpatronin der Verzweifelten«, antwortete Steven. »So hieß die Gemeindeschule für Mädchen in meiner Heimatstadt«, fügte er trocken hinzu. Er war katholisch und sogar Messdiener gewesen. Damals hatte er ernsthaft in Erwägung gezogen, Priester zu werden. Das war natürlich bevor Melissa Peterson, die beliebteste Abiturientin von St. Rita, ihm auf dem Rücksitz des brandneuen Cutlass-Oldsmobile seines Vaters gezeigt hatte, was er verpassen würde. Er hatte fünf Ave Maria gebetet und war einige Monate später zur Beichte gegangen. Zwei Monate später hatte er sein Jawort gegeben. Er konnte, wollte es nicht bereuen. Sein ältester Sohn Brad war eine der drei Freuden seines Lebens. Matt und Nicky waren die anderen beiden. Nach einer gewissen Lücke folgte dann auf Platz vier der Angelsport.
»Möchte wissen, warum sie das Ding im Wagen hatte«, sagte McCoy nachdenklich und riss Steven aus seinen abschweifenden Gedanken zurück. Dieser hatte sich schon das Gleiche gefragt. Die Skulptur war eindeutig fehl am Platz.
»Fragen Sie Detective Winters. Der fand das anscheinend überaus bedeutungsvoll«, bemerkte Vandalia ruhig.
Steven riss den Kopf herum, um Vandalia anzusehen, wobei ihm fast die Skulptur entglitten wäre. Mit knapper Not konnte er sie an die Brust gedrückt festhalten. »Winters war hier?«, fragte er scharf.
»Ja, Sir. Am Montagnachmittag. Er hat die Skulptur unheimlich lange angestarrt und schien sich furchtbar aufzuregen.«
Steven holte tief Luft und legte die Skulptur zurück auf das Tischchen neben dem Wagen. »Sie haben das Auto gehoben, Deputy McCoy?«
McCoy nickte. »Ja. Wir haben den See nach dem Opfer eines Jet-Ski-Unfalls abgesucht und sind dabei rein zufällig auf den Wagen gestoßen.«
»Wo lag er? In welchem Teil des Sees?« Steven war vor eine große Wandkarte getreten.
McCoy kam hinzu und deutete auf den südwestlichen Zipfel des Sees. »Hier ungefähr. Vor sieben Jahren war dieses Gebiet noch nicht erschlossen. Manchmal haben Wanderer
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