Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
hast immer noch alles, was du brauchst. Du hattest immer genug und hättest es beinahe verloren, weil du seit Jahren im Selbstmitleid schwimmst.«
Er sah ihr in die Augen, die dunkel und wild waren, und er spürte, wie sein Schmerz seine Wut zu Fall brachte wie einen mächtigen Baum. »Es tut mir so Leid, Caroline.«
Sie schürzte die Lippen, und kleine Furchen gruben sich in die glatte Haut um ihren Mund herum. »Nein! Ich habe dir das alles nicht erzählt, damit du Mitleid mit mir hast.« Sie straffte sich und wandte ihm abrupt den Rücken zu. »Mitleid will ich nicht von dir.«
»Was willst du dann von mir?« Seine Stimme zitterte, und er bemerkte es nicht einmal, als er sah, wie sie sich vorbeugte und die Arme um ihre Körpermitte schlang. »Caroline?«
»Ich will, dass du die Sorte Mann bist, auf die man sich verlassen kann, der freundliche Mann, auf den als Partner ich stolz sein kann. Ich will, dass du das, was dir geblieben ist, gut verwaltest, dein Schicksal im Leben annimmst und ihm Flügel verleihst.« Sie hob das Foto auf, das während des Streits zu Boden gefallen war. »Lern wieder zu fliegen, Max.«
»Das kann ich nicht«, sagte er gepresst, und die alte Verzweiflung übermannte ihn, als wäre seine Verletzung noch ganz frisch.
»Doch, du kannst es. Nur nicht auf die gleiche Art wie vorher. Langsam drehte sie sich um und strich das Foto an ihrem Schenkel glatt. »Weißt du eigentlich, wie viele Jungen glauben, sie wären im Himmel, wenn sie nur einmal fünf Minuten mit einem Mann bekämen, der bei den Lakers gespielt hat? Auf einem Platz mit Magic und Jabbar?« Behutsam legte sie das Foto zu den anderen in die Mappe zurück und strich den Deckel glatt. »Deine Beine können nicht mehr fliegen, Max, aber die Liebe zu deinem Sport wohnt noch in deinem Herzen. Finde sie, mache sie dir zu Nutze. Mach ein paar Kinder glücklich.« Ein Funkeln trat in ihre Augen, als sie nach ihrem Mantel griff. »Die Highschool meines Sohnes hat dringenden Bedarf nach einem zweiten Trainer für das Junior-Team. Viel Geld haben sie nicht zur Verfügung. Wahrscheinlich können sie es sich nicht leisten, dich zu bezahlen.« Sie schob die Arme in die Ärmel, und dann tauchten ihre kleinen Hände aus den Manschetten auf und begannen, die Mantelknöpfe zu schließen. »Auch auf der South Side und in Cabrini gibt es genug Basketballplätze. Wo du dich einsetzt, ist letztendlich egal.«
Ihre Bewegungen verlangsamten sich, ihre Lider wurden schwer vor Erschöpfung. »Wohin gehst du jetzt?«
»Nach Hause. Es hat mich ermüdet, über die Vergangenheit zu reden. Ich glaube, ich werde heute früh zu Bett gehen.«
Max sprang auf die Füße und folgte ihr zur Haustür. Dann blieb er wie angewurzelt stehen, als er David still und mit besorgtem Blick in der Eingangshalle warten sah.
»Caroline«, setzte David an.
»Heute nicht, David«, fiel sie ihm ins Wort und drängte sich an ihm vorbei auf die Veranda.
Hilflos begegnete David Max’ bestürztem Blick. »Sie sollte jetzt nicht fahren, Max.«
»Sie fährt auch nicht. Komm, Caroline, ich bringe dich nach Hause. David kann uns folgen und mich dann heimfahren.«
Wortlos reichte sie ihm den Autoschlüssel.
Vierzig Minuten später folgten David und Max ihr die zwei Treppen zu ihrer Wohnung hinauf, wo Tom verzweifelt auf dem fadenscheinigen Teppich auf und ab schritt.
»Was ist passiert?«, wollte er wissen, und seine junge Stimme überschlug sich fast.
»Es ist alles in Ordnung, Tom«, antwortete sie und strich müde über seine Schulter. »Wirklich. Ich habe mich nur etwas aufgeregt und bin jetzt scheußlich müde. Wenn ich eine Nacht darüber geschlafen habe, bin ich wieder wie neu. Gute Nacht, David.« Sie wandte sich mit einem abschätzenden, nüchternen Blick um. »Max.«
Max wartete, bis sie leise die Tür zu ihrem Schlafzimmer hinter sich geschlossen hatte, dann stellte er sich Toms fragendem Blick, der ihn so stark an Caroline erinnerte. »Sie war wütend auf mich. Und wahrscheinlich hatte sie jedes Recht dazu.«
»Wahrscheinlich?«, fragte David todernst.
»Wie lange hattest du schon im Flur gestanden?«
David erwog zu lügen, entschied sich jedoch dagegen. »Seit ›Du bist ein aufgeblasener Mistkerl‹.«
»Du hast ›undankbar‹ und ›voller Selbstmitleid‹ vergessen.«
»Da habe ich wohl geschlafen.«
»Sie benutzt keine Schimpfwörter. Meine Mutter benutzt nie Schimpfwörter.« Tom starrte auf die Schlafzimmertür, als erwartete er von dort eine
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