Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
Vielleicht einer, der es genoss zu töten. Und Felix war in den Händen dieses Ungeheuers. Peter lief es eiskalt den Rücken herunter.
Cato holte rasselnd Luft. »So, das war es jetzt. Genug! Ich muss los. Das kostet alles extra.«
»Wer, Cato? Das ist wichtig. Ich brauche einen Namen!«
Cato seufzte. Die Sekunden verstrichen. Peter hörte Stimmen im Hintergrund.
»Ein Typ, den Grimme von früher kennt. Der hat auch gesessen, wie wir beide.«
»Wo?«
»Djursland, mehr weiß ich nicht. Irgend so ein Jugendknast.«
Die Leitung war tot.
K APITEL 66
Felix zitterte vor Kälte. Sie hatte immer geglaubt, dass extreme Kälte den Körper empfindungslos machen würde, aber das traf für sie nicht zu. Alles tat ihr weh. Alle Gelenke, die Knochen, Muskeln und Organe. Diese Kälte war ein größerer Feind als die Kidnapper selbst. Sie konnte mit ihnen ja auch nicht sprechen oder verhandeln. Sie konnte ihnen nichts anbieten, um ihre Wut zu beschwichtigen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen und auszuhalten und darauf zu warten, dass Peter sie fand. Das würde er, das wusste sie. Er würde sie finden und retten. Zumindest würde er alles versuchen.
Sie hatte alles versucht. Sie hatte versucht, ihr Gehirn auf Standby zu schalten und einzufrieren, so wie es der Winter draußen tat. Aber dieser Winter war zu ihr hereingekrochen: in den Stall, die Scheune, einen Schuppen oder Keller? Es roch nach Katzen, Fisch, alten, feucht gewordenen Zeitungen und von Mäusen zerfressenen Matratzen.
Sie hatte auch das Gegenteil davon versucht und sich mit kleinen Erinnerungsfetzen gefüttert. So war sie minutiös die Tage vor dem Absturz durchgegangen und hatte sich bemüht,die Lücken zu füllen. Dabei waren Episoden aus ihrem Leben aufgetaucht, die sie vor langer Zeit vergessen oder verdrängt hatte.
Die Ohrfeige, die sie ihrem Bruder in einem Anfall von Zorn gegeben hatte, nur um zu sehen, wie er darauf reagieren würde. Da war er 15 Jahre alt gewesen und sie 16. Und er hatte ihr das nie verziehen. Wahrscheinlich hatte das den Ausschlag für ihr Verhältnis gegeben, eine Sekunde, die eine lebenslange Nachwirkung hatte, konnte für immer etwas Wertvolles zerstören. Dazu gehörte auch der Streit und Bruch mit ihrer Freundin Susanne, worauf sie keineswegs stolz war, aber den sie wegen ihres dämlichen Stolzes nie geschlichtet hatte. Die beiden waren seit der zweiten Klasse Zeuginnen ihres Lebens gewesen. Aber dann hatte ihr Susanne im Gymnasium einen Jungen weggeschnappt, auf den es Felix abgesehen hatte. Sie hatte ihre beste Freundin zum Teufel geschickt. Einmal hätte sie sich fast entschuldigt, sie hatte den Brief schon geschrieben. Aber dieser Brief wurde niemals abgeschickt, sondern landete zerrissen im Papierkorb.
Für sie war der Rückzug immer der leichtere Weg gewesen. Darum war es ihr auch nicht schwergefallen, sich im Haus an der Klippe zu verkriechen. Bei Konflikten reagierte sie mit Fluchtimpuls. Auch Auseinandersetzungen mit ihren Partnern ging sie aus dem Weg, setzte sich ins Auto und fuhr weg, mit dem Gefühl von Gerechtigkeit und voller Selbstmitleid.
Sie hatte sich auch ihr Verhältnis zu ihrer Mutter angesehen, das nicht besonders gut und herzlich, aber doch von gedämpfter Liebe geprägt war, zu ihrem Stiefvater und zu ihrem Bruder, der längst wieder in Spanien lebte. Sie hatte ihr Leben Revue passieren lassen und die Bilanz war, dass sie keinen Grund hatte, stolz zu sein. Zumindest nicht, wennman den wertvollen und sinnvollen Umgang mit anderen Menschen als Zeichen eines erfüllten Lebens verstand. Das einzig Wertvolle und Sinnvolle in ihrem Leben war in einem Strudel aus Wasser und Wrackteilen ertrunken. Das einzige Kind, dem sie Leben geschenkt hatte, dem war dieses genommen worden, weil ihre Mutter den falschen Mann gewählt hatte. Und weil sie dumm gewesen war. Weil sie nichts gesehen und nichts bemerkt hatte. Nein, keine Entschuldigungen mehr: weil sie die Augen vor allem verschlossen hatte, weil sie nichts sehen wollte.
Das Tape war fest auf ihren Mund gepresst und die Augenbinde saß so straff, dass sie dachte, ihr Schädel würde platzen. Aber sie durfte auf keinen Fall weinen. Sie zwang sich, ruhig und gleichmäßig zu atmen, und versuchte sich anders hinzusetzen. Das hatte sie schon unzählige Male getan, jedes Mal mit dem Ergebnis, dass ihr die Metallfesseln nur tiefer ins Fleisch schnitten.
Sie hoffte, dass sich Maria in ihrem kurzen Leben geliebt gefühlt hatte. Maria war wie eine Sonne
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