Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
getraut und tat es nach wie vor nicht. Zum anderen war die Wahl der Pfadfinderhütte rätselhaft. Sie hatten sich noch nie dort getroffen. Cato und er hatten ihre Kindheit in der Gegend um Ry verbracht. Wäre es da nicht naheliegender gewesen, etwas dort in der Umgebung auszuwählen? Einen Ort, den sie beide kannten?
Die Schlussfolgerung lag auf der Hand: Grimme hatte den Ort ausgesucht, es war ein Hinterhalt.
Peter hatte sich eine Karte vom Lisbjerg Wald aus dem Netz ausgedruckt. Die Hütte lag im nördlichen Teil des Waldareals, etwa zehn Kilometer von Århus entfernt. Es gab mehrere Möglichkeiten, in den Wald hineinzufahren. Er wählte den Zugang, der am weitesten von der Hütte entfernt war. Von dort konnte er seine Peilmarke sehen, die schwarzen Türme der riesigen Verbrennungsanlage, die im Norden von Århus stand. Sie stießen Tag und Nacht Rauch in den Himmel.
Die Waldwege waren weitestgehend geräumt worden und er kam gut durch, obwohl der Waldboden uneben war. Anderthalb Kilometer vor der Hütte bog er ab und parkte das Auto in einem dunklen, zugewachsenen Bestand aus Tannen, deren Zweige tief hingen und einen guten Sichtschutz für seinen weißen Lieferwagen boten. Dann stieg er aus. Er hatte das Gewehr dabei. Es war geladen.
Als er sich der Hütte näherte, lief er im Schutz der Bäume weiter. Er bewegte sich lautlos. Es hatte aufgehört zu schneien und die Sonne brach durch die Wolken.
Es war wie auf der Jagd, mit jedem Schritt tiefer in den Wald löste sich seine Anspannung. Hier fühlte er sich wohl, das war seine Welt. Der Wald und der Waldboden, die Vögel und kleinen Rinnsale, die Geräusche und Gerüche der Natur. Das gab ihm große Sicherheit. Was er tat, war notwendig, und er trug die Verantwortung dafür.
Ab und zu hörte er etwas im Gebüsch oder oben in den Baumkronen rascheln und jedes Mal blieb er stehen und lauschte, ehe er seinen Weg fortsetzte. Er sah einen Fuchs vorbeihuschen und eine verschreckte Feldmaus über den Schnee springen und gleich wieder in einem Erdloch verschwinden.Ansonsten schreckten nur ein paar Tauben auf, dieser Wald war offenbar nicht so dicht bewohnt.
Er hörte den Wagen, lang bevor er ihn sehen konnte, und fand so den Weg zur Hütte. Er folgte einfach dem Geräusch, lief quer durch das Unterholz und hoffte, dass seine Tarnung mit der weißen Lammfelljacke genügte.
Drei Männer stiegen aus dem Wagen. Peter schlich sich näher heran, legte sich auf den Waldboden und beobachtete sie durch sein Zielfernrohr. Er erkannte sofort die Boxernase, den er vor dem Krankenhaus ausgeschaltet hatte, und der andere, war das Anja Ex? Er war sich nicht sicher. Aber er war derselbe Typ: groß und breit. Und langsam.
Das Zielfernrohr fand auch die dritte Person, Grimme. Er hatte vor langer Zeit sein Gesicht mit einem Messer aufgeschlitzt bekommen. Das hatte ihm unter den Soldaten der Gruppe Respekt verschafft und sah alles andere als schön aus. Dieses Ereignis sowie der Doppelmord, der ihm angelastet wurde, hatten ihm eine Topplatzierung in der Hierarchie verschafft und die wollte er auf jeden Fall behalten. Grimme war so groß und breit wie die beiden anderen, aber er bewegte sich mit einer Leichtigkeit und Autorität, über die sie nicht verfügten.
Sie blieben eine Weile vor der Hütte stehen, zeigten in den Wald und unterhielten sich. Ihren Atem sah man wie kleine Wölkchen aufsteigen. Hoffentlich konnten sie ihn nicht sehen.
Dann verteilten sie sich. Grimme ging in die Hütte. Der eine Muskelberg verschwand hinter dem Gebäude, der andere baute sich fünf Meter von der Tür entfernt auf.
Peter schlich in großem Abstand um die Hütte herum. Er sah auf die Uhr, es war fünf vor elf. Sie erwarteten ihn um elf, zehn Minuten nach elf würden sie anfangen nervös zu werden. Er wartete.
Zehn Minuten später kam Grimme aus der Hütte, wechselte ein paar Worte mit dem Wachposten und starrte in den Wald. Peter setzte seinen Weg fort, nach wie vor in großem Abstand. Da entdeckte er die Boxernase, die auf der Rückseite Wache stand, sich allerdings auf einen Baumstumpf gesetzt hatte und an seinem Handy herumfummelte. Zwischendurch hob er den Blick, scannte sein Areal ab, versank aber mehr und mehr in der Beschäftigung mit seinem Telefon.
Peter schlich so nah heran wie möglich. Ab und zu verharrte er minutenlang regungslos hinter einem Baum oder einem Busch, bevor er weiterschlich. Er suchte auf dem Waldboden nach einem geeigneten Stein und warf ihn gegen einen Baumstamm.
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