Eiskalt wie die Nacht: Thriller (Dicte Svendsen ermittelt) (German Edition)
musst keine Angst haben«, sagte er und hörte die Ungeduld in seiner Stimme.
Mit aufgesetzter Kennermiene schlenderte sie durch die Wohnung, berührte mal dies, mal das. Er wusste, dass er eine Grenze überschritten hatte. Eine gefährliche Grenze. Er war Polizist. Er sollte eine Familie haben und in seinem Zuhause sitzen und nicht durch die Straßen fahren und Nutten aufgabeln. Und wenn er das unbedingt brauchte, sollte er das in einer anderen Stadt machen. In Århus. Er hätte nach Århus fahren sollen, aber das hier war einfacher gewesen. Und es ging schneller. Und er hatte nach einer schnellen Erlösung gesucht.
»Komm. Das Schlafzimmer ist hier.«
»Wer sagt denn, dass wir schlafen wollen?«
Sie hatte schon begonnen sich auszuziehen. Ihre kleinen festen Brüste drückten sich durch den dünnen Stoff ihres T-Shirts. »Lieber erst noch einen Drink«, fügte sie hinzu. »Und wenn wir schon bei dir zu Hause sind, wie wäre es mit ein bisschen Musik?«
Er goss Whiskey in zwei Gläser und legte Coldplay auf. Muschimusik, wie ein Freund von ihm das nannte. Das war ein böser, aber leider passender Ausdruck. Die meisten Frauen liebten Coldplay. Er war fassungslos, dass die Weiber wegen so einer Heulsuse von Sänger feuchte Träume bekamen.
Sie bewegte sich im Takt der Musik und strippte dabei. Er lächelte, das würde sie vermutlich beim Preis draufschlagen.
»Wie heißt du eigentlich?«, fragte er und fasste ihr von hinten an die Brüste. Sie drückte sich gegen ihn.
»Gry.«
»Du bist sexy, Gry.«
Sie kreiste mit den Hüften im Takt der Musik, sie trug nur einen Tangaslip. Er zog sie zu sich aufs Sofa und übernahm ab da die Führung, zauberte ein Kondom aus ihrer Hand und ritt ihn mit professioneller Lust in den Augen. Er kam in ihr und dabei flossen mehrere Frauengesichter zu einem bunten Reigen zusammen. Hinterher ärgerte er sich darüber, dass sein Schuldgefühl sich so geäußert hatte.
So schnell wie sie sich ausgezogen hatte, war sie wieder angekleidet.
»Fährst du mich zurück?«
Das war zwar nicht Teil ihrer Abmachung gewesen, aber er konnte es unmöglich ablehnen. Auf einmal widerte sie ihn an, aber am meisten ekelte er sich vor sich selbst. Er wollte sie so schnell wie möglich loswerden.
»Na, dann lass uns gehen.«
Unten vor dem Haus zündete sie sich eine Zigarette an. Der Rauch blieb in der eiskalten Luft wie eine Skulptur stehen, als sie den Parkplatz überquerten.
»Du bist ein Bulle, oder?«
Die Frage traf ihn mitten ins Zwerchfell. Was sollte er jetzt tun? Wie viel wusste sie über ihn? Nur, dass er ein notgeiler Idiot war, der sich wie all die anderen Deppen zum Affen machte, weil er für Sex bezahlte? Das war kein Geheimnis. Wusste sie auch, dass er mit der Untersuchung der Leichen im Hafenbecken und am Strand zu tun hatte? Auch das wusste sie aller Wahrscheinlichkeit nach, aber das war ihm auch egal. Darum gab er ihr keine Antwort, sondern betätigte die Zentralverriegelung aus zwanzig Metern Entfernung und freute sich über das klickende Geräusch, denn es klang nach baldiger Befreiung.
»Los, rein mit dir.«
Sie nahm die Zigarette mit ins Auto. Er drückte auf den elektrischen Fensterheber und öffnete ihr Fenster.
»Raus damit.«
Sie sah ihn angriffslustig an.
»Sonst was? Verhaftest du mich dann?«
»Nein, dann darfst du zu Fuß nach Hause gehen.«
Mit einem Grinsen warf sie die Kippe aus dem Fenster. Ihre Zähne waren bräunlich verfärbt, warum war ihm das nicht schon vorher aufgefallen?
»Ich hoffe echt, dass ihr den Typen schnappt, der das gemacht hat.«
»Was gemacht hat?«
»Na, der hat doch diese Nina in den Hafen geworfen. Was denn sonst?«
Er entschied sich, dass es das Klügste war, nichts zu sagen, und fuhr los.
»Seid ihr euch sicher, dass sie die Tote ist?«, redete sie unbeirrt weiter.
Er wäre fast auf den Bordstein gefahren und musste sich zusammenreißen, um den Wagen die verbleibende Strecke bis zum Strandhotel sicher zu steuern. Ihre Kollegin stand nach wie vor im Schein der Straßenlaterne und der Neonreklame des Hotels.
»Warum fragst du danach?«
Er versuchte, seine Stimme so neutral wie möglich klingen zu lassen, aber innerlich kochte er vor Wut. Was genau wusste sie?
»Ach nichts weiter. Vielen Dank für die Fahrt, Bulle.«
Sie stieg aus, aber er öffnete sofort seine Tür und ging ihr nach, packte sie am Arm und hielt sie fest.
»Du schuldest mir noch eine Antwort.«
»Lass mich los.«
Sie wollte sich aus seinem Griff befreien,
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