Eiskalt Wie Die Suende
unterhalten?â
âAber ja, gewiss. Bitte.â Chloe wandte sich um und führte sie den Flur entlang, in dem es noch nach frischer Farbe roch, und durch die offene Glastür, die in einen sonnigen kleinen Garten führte. âKann ich Ihnen einen Tee â¦â
âNein, ich bitte Sieâ, sagte Nell, âmachen Sie sich keine Umstände unseretwegen.â
âEs macht mir keine Mühe. Ich hatte mir eben welchen gemachtâ, erwiderte Chloe und deutete auf eine Teekanne aus feinem Porzellan, die neben einer halb geleerten Tasse auf dem schmiedeeisernen Gartentisch stand. âBitte setzen Sie sich doch. Ich bin gleich wieder da.â Sie drehte sich um und verschwand wieder im Haus.
âWie jung sie noch istâ, flüsterte Nell Will zu, als er ihr den Stuhl zurechtrückte. âIrgendwie hatte ich sie mir immer älter vorgestellt.â
âCook dürfte so um die vierzig seinâ, schätzte Will und setzte sich. âDamit wäre zwischen den beiden ein Altersunterschied von zehn oder zwölf Jahren, was so viel nun auch wieder nicht ist. WeiÃt du, wie lange die beiden schon verheiratet sind?â
Nell schüttelte den Kopf. âÃber sein Privatleben hat er mir nie sonderlich viel erzählt.â
âNa, dann wollen wir mal hoffen, dass seine Frau etwas redseliger ist. Sie drückt sich ziemlich gewandt aus, findest du nicht auch?â
âSpricht wohl nichâ soân ungehobeltes Kauderwelsch wie wir andern Paddys, was?â, fragte Nell mit übertrieben irischem Akzent.
Will schien das keineswegs so lustig zu finden und warf ihr einen etwas beleidigten Blick zu, als er meinte: âIch wollte damit eigentlich nur sagen, dass sie so klingt, als hätte sie eine gute Erziehung genossen, vielleicht sogar eine ordentliche Schulbildung bekommen. Und du musst wohl zugeben, dass so etwas bei den irischen Einwanderern eher die Ausnahme ist. Es macht mich einfach nur neugierig â mehr nicht.â
Als Chloe zurückkam, trug sie ein Tablett mit zwei Teetassen, Zuckerdose, Sahnekännchen und einem Teller mit appetitlich aussehenden Keksen. âDie sind von gestern, aber immer noch gut.â Sie stellte das Tablett auf den Tisch, band sich ihre Schürze ab und breitete sie über den leeren vierten Stuhl. Erst da bemerkte Nell den Schnitt von Chloes Kleid, ein weites, locker fallendes Gewand mit einer breiten Passe über dem gerundeten Bauch der jungen Frau.
Sowie sie Nells Blick bemerkte, legte sie sich die Hand an den Bauch und sagte mit tränenumflortem Lächeln: âColin und ich sehen im Oktober einem freudigen Ereignis entgegen. Unser erstes.â
âOh ⦠ja. Das ⦠das wusste ich nichtâ, erwiderte Nell sichtlich überrascht. âDas ⦠das ist ja wunderbar.â
âHerzlichen Glückwunschâ, sagte Will.
Während sie den Tee eingoss, sah Chloe kurz zu Nell auf. âSie fragen sich vermutlich, warum er Ihnen nichts davon erzählt hat.â
âNun ja â¦â
Schweigend reichte Chloe ihren beiden Gästen die gefüllten Tassen und meinte dann: âEs ist keineswegs das erste Mal, dass ich mich in anderen Umständen befinde. Colin und ich haben bereits drei unserer Babys verloren. Unser erstes war eine Totgeburt, ein kleiner Junge, den wir Patrick genannt haben. Die anderen beiden sind nicht einmal so weit gekommen.â
âDas tut mir leidâ, sagte Nell. âEs muss sehr schmerzlich für Sie gewesen sein.â Ein Schmerz, mit dem Nell nur allzu gut vertraut war, hatte sie doch, nachdem Duncan sie ein letztes Mal erbarmungslos geprügelt hatte, eine schwere Fehlgeburt erlitten. Die dabei erlittenen Verletzungen hatten ihr alle Hoffnung genommen, jemals ein eigenes Kind zu bekommen.
âIch nehme an, dass Sie einen Arzt konsultierenâ, meinte Will, der aufgestanden war, um Chloe den Stuhl zurechtzurücken.
âJa, gewiss doch â Dr. Mathers.â
âAh ja, den kenne ichâ, erwiderte Will. âMan hält groÃe Stücke auf ihn.â
âEr hat mir eine Liste mit Regeln gegeben, die ich strikt befolgen soll, damit das Kind bis zur Geburt brav in meinem Bauch bleibt. Keine körperliche Anstrengung â ich darf nicht einmal diesen wirklich furchtbar verwilderten Garten jäten â, keine ⦠keine engen Kleider.â
âSehr weise von Dr. Mathersâ, bemerkte Will zustimmend.
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