Eiskalt Wie Die Suende
beschützen, wenn er nicht hören konnte, wie sich ein Eindringling in ihr Zimmer schlich? Sie hatte noch eine ganze Weile wach gelegen, hatte dem leisen Knarren des Bettes gelauscht, das aus Gracies Zimmer herüberdrang, und sich gefragt, ob Will die Situation als ebenso wundersam vertraulich empfand, wie sie ihr erschien.
Am nächsten Morgen wurde sie davon geweckt, dass sie Will leise ihren Namen sagen hörte. Als sie gegen die helle Morgensonne anblinzelte, sah sie ihn am FuÃende ihres Bettes stehen. Er war nur in Hemdsärmeln und stand mit verschränkten Armen an einen der Bettpfosten gelehnt. Wie lange er sie wohl schon beobachtet hatte?
âDu liebe Güteâ, murmelte sie, als sie verschlafen zur Uhr auf dem Kaminsims hinübersah. âIst es tatsächlich schon kurz vor neun?â Sie wüsste nicht, wann sie zuletzt so lange geschlafen hatte.
âIch habe Kaffee aufgesetztâ, sagte er und wandte sich zur Tür, âund er ist gar nicht mal schlecht. Es ist das Einzige, was ich in der Küche überhaupt zuwege bekomme, aber wenn er noch eine Weile auf dem Herd steht, brennt er an, also trödel besser nicht herum.â Ãber die Schulter hatte er ihr einen verschmitzten Blick zugeworfen und war nach unten gegangen.
Gerade als Will nun abermals die Hand hob, um noch einmal an Cooks Tür zu klopfen, war im Haus Bewegung zu erkennen. Die Tür am Ende des Korridors wurde geöffnet, und eine zierliche, dunkelhaarige Frau kam ihnen entgegen. Sie trug ein braunes Kleid mit Paisleymuster, eine Schürze und hielt einen breitkrempigen Strohhut wie ein Schutzschild vor ihrem Bauch. Als sie nun näher kam, sah Nell, dass sie kaum älter war als sie selbst â höchstens dreiÃig, schätzte sie.
Die junge Frau öffnete die Tür nur einen Spaltbreit und spähte vorsichtig hinaus. Nell sah, dass ihre Augen verquollen waren und ihre Nase rot glänzte. Dennoch war sie auffallend hübsch, mit milchig weiÃer Haut und feinen Gesichtszügen. âJa?â, fragte sie argwöhnisch.
âWir würden gern mit Mrs. Cook sprechenâ, sagte Will und fasste in seinen Rock, um eine Visitenkarte hervorzuholen.
Mit von Tränen heiserer Stimme, aus der schwach ein irischer Akzent herauszuhören war, erwiderte sie: âIch bin Chloe Cook.â
âAh jaâ, meinte Will und reichte ihr seine Karte. âMein Name ist Dr. Hewitt, und das ist Miss Sweeney. Ich bin mir bewusst, dass dies eine schwere Zeit für Sie ist, Mrs. Cook, aber vielleicht dürften wir dennoch â¦â
âSweeney?â Chloe Cook blickte von der Karte auf und betrachtete Nell. âDann sind Sie wahrscheinlich Nell Sweeney, nicht wahr?â
âGanz genauâ, sagte Nell. âWoraus ich schlieÃe, dass Ihr Mann mich wohl mal erwähnt hat.â
âOh ja, natürlich, natürlich. Kommen Sie hereinâ, bat Chloe, öffnete die Tür nun weit und bedeutete ihnen einzutreten. âEs ist mir eine Freude, Sie endlich kennenzulernen, Miss Sweeney, wenngleich ⦠nun denn, sogar unter den gegebenen Umständen â¦â Ihr Kinn zitterte bedenklich, und sie zog rasch ein Taschentuch aus ihrer Schürzentasche.
âEs tut mir wirklich leid, Sie in dieser schweren Zeit stören zu müssen, Mrs. Cookâ, meinte Nell. âWir ⦠wir sind gekommen, weil ⦠weil wir dachten, dass wir Ihnen vielleicht in irgendeiner Weise behilflich â¦â
âMan glaubt, dass er â¦â Ein tiefer Schluchzer entrang sich Chloes Kehle. Sie presste sich das Taschentuch an die Lippen. âDass er ⦠man glaubt, dass er â¦â
âIch weiÃâ, beschwichtigte Nell.
âEr steckt in fürchterlichen Schwierigkeiten.â
âWir haben davon gehört.â
âColin zuliebe versuche ich stark zu seinâ, brachte Chloe mühsam hervor und fuhr sich mit dem Taschentuch über die geröteten Augen, âaber es ist alles so ⦠furchtbar. Ich weià überhaupt nicht, was ich tun soll. Ich ⦠ich bin völlig durcheinander. Wenn ich nur wüsste, was geschehen ist!â
âDas wüssten wir auch gernâ, meinte Will. âUnd wir würden Ihnen gern helfen, es herauszufinden, denn wir können einfach nicht glauben, dass er getan hat, wessen man ihn beschuldigt. Deshalb sind wir gekommen. Vielleicht könnten wir uns irgendwo in Ruhe
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