Eiskalt Wie Die Suende
irgendwas nicht stimmt.â
âHatte er zufällig erwähnt, was er am Dienstagabend noch vorhatte?â, fragte Will. âHat er gesagt, wohin er gehen würde?â
âColin spricht nicht viel über seine Arbeit â zumindest nicht über die tagtäglichen Vorkommnisse â, aber ich weiÃ, dass er die meiste Zeit bei Ermittlungen oben im North End verbringt. Manchmal hat er auch in Fort Hill und den angrenzenden Vierteln zu tun, aber meistens ist er doch im North End. Es ist ja nun seine Aufgabe, dem Verfall der Sitten Einhalt zu gebieten, und dort ist es eben am schlimmsten. Und er nimmt sich persönlich nur der schwersten Fälle an, befasst sich gar nicht mit der Routinearbeit, den betrunkenen Seeleuten, den Taschendieben und StraÃenmädchen. Darum kümmern sich die Streifenpolizisten â oder versuchen es zumindest. Colin hat es auf gröÃere Fische abgesehen, auf Bandenkriminalität, Mörder, Vergewaltiger â¦â
âGefährlicher Jobâ, meinte Will.
âIch bin in ständiger Angst um ihn.â Chloe schloss seufzend die Augen und schüttelte den Kopf. âAndauernd sorge ich mich, dass ihm etwas zustoÃen könnte. Ich wünschte, er hätte diese neue Stelle niemals angenommen. Erst wollte er das auch nicht. Nach diesem furchtbaren Eklat im Februar, den Anhörungen und all dem â¦â Chloe schlug die Augen auf, blickte kurz über Nells Schulter und lächelte. âMaureen. Du bist früh dran heute.â
Nell und Will drehten sich um und sahen ein mondgesichtiges junges Mädchen das Gartentor öffnen. Sie trug Schürze und Kopftuch und über dem Arm einen Einkaufskorb. Während sie Nell und Will mit gleichgültigem Blick musterte, fragte sie: âBleiben die zu Mittag?â
âOh â¦â Chloe wandte sich wieder ihren beiden Besuchern zu und meinte: âDas würde mich wirklich sehr freuen.â
âDanke für die Einladungâ, erwiderte Nell, âaber ich fürchte, wir haben keine Zeit. Wir müssen heute Nachmittag noch einiges erledigen.â
âAlso nur Sie, Missis?â, fragte Maureen.
âNein, deck bitte für zweiâ, wies Chloe sie an. âAm besten hier drauÃen.â
âFür zwei?â Maureen hielt jäh inne. âEr ist doch nicht zurück, oder? Detective Cook, mein ich.â
âNein. Nein, er ⦠er ist noch nicht zurück. Mrs. Booth wird zum Lunch vorbeikommen.â
Maureen nickte und verschwand durch die Hintertür ins Haus.
Chloe seufzte. âIch bin es einfach nicht gewohnt, dass mir jemand zur Hand geht, und ich fürchte, es gefällt mir auch nicht sonderlich. Oder vielleicht liegt es auch nur an ⦠ach, ich weià auch nicht. Ich weià nie, was im Kopf dieses Mädchens vor sich geht.â
âSie hatten eben die Anhörungen erwähnt, die im Februar stattfandenâ, brachte Nell sie zum eigentlichen Thema zurück.
âAch, diese unseligen Anhörungen.â
âConstable Skinner behauptet, dass es geheime Treffen mit ranghohen Vertretern der Behörde gegeben habe, bei denen Ihr Mann ausgesagt hätteâ, fuhr Nell fort. âDas scheint ihn bei seinen Kollegen nicht gerade beliebter gemacht zu haben. Vermutlich wissen Sie aber nichts Näheres darüber?â
âNein, denn Colin erzählte mir von den Anhörungen nur, dass er sich keine Sorgen machen müsse und alles ein gutes Ende nehmen würde. Er meinte, je weniger er mir davon erzählte, desto weniger würde ich mich auch sorgen, doch das Gegenteil war der Fall. Ich fing schnell an, mir das Allerschlimmste vorzustellen.â
âHat Ihr Mann irgendwelche Feinde?â, fragte Will. âVon Skinner mal abgesehen. Jemand, der ihn für einen Mord, den er nicht begangen hat, gern am Galgen sehen würde?â
Chloe überlegte kurz und meinte dann: âEigentlich nur Skinners Kollegen, die anderen Detectives. Sonst fällt mir niemand ein.â
âUnd was ist mit Freunden?â, fragte Nell. âJemand in der Stadtbehörde, der uns sagen könnte, was sich bei diesen geheimen Sitzungen tatsächlich abgespielt hat?â
âOder jemand, der über seine Ermittlungen im North End Bescheid weiÃâ, fügte Will hinzu.
âNun, da wäre Ben Shuteâ, sagte Chloe. âEigentlich heiÃt er Ebenezer, aber Colin nennt ihn immer nur Ben. Er ist Inspektor
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